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Archiv-Artikel

christoph schultheis Halbsteife Würgeschlange

Das neue „Neon“ ist da. Heute. Am Kiosk. „Les ich später“, denkt der Kolumnist. Und beginnt dennoch eine kleine Serie. Über „Neon“ eben.

Ja, eigentlich kann man das ruhig mal erzählen: Wie sich damals im November, am Ende einer unbefriedigten Rezension der ersten regulären Ausgabe des Neon-Magazins an dieser Stelle ein kleiner Hinweis fand, dass der Rezensent immerhin sehr gern so eine hübsche, handgeschneiderte Geldbörse besäße, wie sie im ersten Neon (Seite 77) abgebildet war – und wie hernach die Geldbörsenschneiderin tatsächlich ihre Dienste anbot.

Wie schön, dachte der Rezensent. Und dann, dann hab ich noch gedacht: Was Journalismus alles kann! Selbst der von Neon. Dass ich indes noch immer mein altes Portemonnaie in der Hose habe, liegt bloß an mir, an meiner miesen Laune damals. Schließlich war gerade Vorweihnachtszeit, die Sache geriet irgendwie in Vergessenheit. Wie Neon. Oder Dummy. Oder dieses andere Magazin, von dem ich den Namen inzwischen vergessen habe. Ja, das kann man ruhig erzählen!

Oder dass es ab heute wieder ein neues Neon gibt, noch immer von den Ex-jetzt-Machern gemacht, auf dessen Titel noch immer „Eigentlich sollten wir erwachsen werden“ steht, unter dem Stern-Logo, als dessen Ableger das Heft erscheint. Gut möglich, dass ich Neon nicht leiden kann – aber anders als im abscheulichen Vorweihnachtsheft gibt es in der aktuellen Ausgabe nicht mal mehr etwas, was ich gerne haben möchte: kein Jungfernhäutchen (Seite 74), keine Helmut-Lang-Geldklemme für 60 Euro (Seite 122), weder einen Gülletank als Wohnung (Seite 41) noch eine Sexkolumnistin, die in ihrer Freizeit Enten füttert (Seite 76), sogar die Neon-Aufkleber zum Herausnehmen (Seite 67) werden doch erst interessant, wenn Neon eingestellt ist, und gern hätte ich nicht gewusst, dass eine Würgeschlange sich genauso anfühlt „wie ein halbsteifer Penis“ (Seite 16). Besonders gestohlen bleiben kann mir aber die neue Platte der französischen Band „Air“ (Seite 154). Ich kaufe sowieso nie Platten. Aber die neue „Air“ erst recht nicht, so schlecht wie die wegkommt im neuen Neon!

Und da, genau da, fiel mir plötzlich auf, dass ich ja schon geraume Zeit geblättert und gelesen hatte wie Frauen das gern in ihren Frauenzeitschriften tun, wenn sie nichts Besseres zu tun haben. Mir fiel dann sogar wieder ein, was ich beim Überblättern des Bud-Spencer-, Daniel-Brühl- und Peaches-Interviews oder bei dem Artikel über diese Londoner Cake-Partys gedacht hatte: „Les ich später!“ hatte ich gedacht. O weh, dachte ich da. Denn entweder Neon probiert sich selbst noch aus von Heft zu Heft. Oder ich hatte beim Durchblättern diesmal einfach bessere Laune. Das kann auch sein.

(Fortsetzung folgt)