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Archiv-Artikel

Der Übersohn

Max Strauß steht ab morgen wegen Steuerhinterziehung vor Gericht. Weitere Verfahren drohen, doch wegen seiner labilen Psyche gibt es Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten. Klar ist nur: Das Erbe von Vater „FJS“ belastet ihn schwer

AUS MÜNCHENJÖRG SCHALLENBERG

Franz Josef Strauß wird dabei sein. Wenn morgen im Augsburger Landgericht der Prozess wegen Steuerhinterziehung gegen seinen ältesten Sohn Max Josef beginnt, wird FJS, der einstige gefürchtete bayerische Ministerpräsident und Mitbegründer des Amigo-Systems, nicht nur im Geiste über dem Verfahren schweben. Wolfgang Dingfelder, Anwalt von Max Strauß, hat bereits angekündigt, den „Übervater“ FJS zu thematisieren, wenn es um den psychischen Zustand und die Verhandlungsfähigkeit seines Mandanten geht.

Der 44-jährige Strauß-Sohn wird nach einem Zusammenbruch seit September 2003 stationär in der psychiatrischen Abteilung der Münchner Universitätsklinik wegen massiver Depressionen behandelt. Professor Hans-Jürgen Möller, Direktor der psychiatrischen Klinik, erklärte im Focus, dass Max Strauß möglicherweise versuchen könne, sich das Leben zu nehmen, falls er verurteilt wird. Ein aktuelles medizinisches Gutachten bescheinigt Strauß jedoch ausreichende Verhandlungsfähigkeit.

Die Gründe für die schwer angeschlagene Psyche des Angeklagten sieht seine Schwester, die bayerische Kultusministerin Monika Hohlmeier (CSU), vor allem in einer jahrelangen Hetzjagd von Staatsanwälten, Richtern und Medien – bei denen natürlich der Name Strauß eine besondere Bedeutung habe. Nach Meinung seiner Geschwister steht Max Strauß stellvertretend für den „Übervater“ vor Gericht, denn dem so verehrten wie verhassten FJS konnte trotz des wiederholten Verdachtes auf Bestechung, Steuerhinterziehung und Geldwäsche nie etwas nachgewiesen werden.

Doch Franz Josef Strauß steht nicht nur symbolisch, sondern auch sehr konkret am Beginn des Falles, der jetzt vor Gericht kommt. Er war es, der Anfang der 80er-Jahre den zwielichtigen Kaufmann Karl-Heinz Schreiber mit seinem ältesten Filius zusammenbrachte. Angeblich sollte Schreiber Max unter seine Fittiche nehmen und ihm zeigen, wie der Hase läuft in der Grauzone zwischen Geschäft und Politik. Hohlmeier bestreitet eine enge Beziehung der beiden bis heute. Die Augsburger Staatsanwaltschaft wirft Max Strauß hingegen vor, dass er Schreiber 1985 und 1988 beim Verkauf von 51 Airbus-Flugzeugen nach Kanada und Thailand geholfen habe und dafür umgerechnet 2,6 Millionen Euro Provision auf ein Schweizer Konto erhalten habe, das Schreiber zunächst unter dem Namen „Master“, dann unter „Maxwell“ geführt habe. Dieses Geld soll Strauß junior nie versteuert haben. Die Ankläger berufen sich dabei vor allem auf eine Aussage des früheren Schreiber-Mitarbeiters Giorgio Pelossi, der vor Gericht als Zeuge auftreten wird. Die Verteidigung bestreitet, dass die genannten Konten zu Strauß gehören.

Zentrale Bedeutung kommt möglicherweise auch einer Computerfestplatte zu, die aus dem Laptop von Max Strauß stammt. Als der Ende 1995 beschlagnahmt wurde, waren alle Daten darauf kurz zuvor gelöscht wurden. Später verschwand die Festplatte zeitweilig auf rätselhafte Art. Es gelang, zwei Dateien mit den Namen „Master“ und „Max???“ zu rekonstruieren, deren Inhalt verschwunden blieb.

Max Strauß reagierte auf die Vorwürfe zunächst so, wie er es von seinem Vater gelernt hat: „Auf Druck reagiere ich mit Gegendruck, schließlich heiße ich Strauß“, tönte er zu Anfang der Ermittlungen. Doch zunehmend traten seine psychischen Probleme zutage. Seine Familie und seine Anwälte berichten, dass er jahrelang die Post nicht mehr geöffnet und von Selbstmord gesprochen haben soll, einmal sei er „sehenden Auges“ mit dem Wagen in ein anderes Auto gefahren. Neben den laufenden Ermittlungen führt Hohlmeier als Erklärung die ständige Überforderung ihres Bruders an, der als ältester Sohn besonders stark mit „Übervater“ FJS verglichen wurde und versuchte, dessen poltrigem Vorbild zu entsprechen, obwohl er eher ein stiller Typ sei.

Trotz der medizinischen Diagnosen gibt es jedoch Zweifel, was den Gesundheitszustand von Strauß betrifft, denn eine dauerhafte Verhandlungsunfähigkeit könnte ihn vor Verurteilungen retten, auch im Hinblick auf einen drohenden weiteren Prozess. Die Münchner Staatsanwaltschaft wirft Max Strauß vor, bis 1995 als Justiziar der Firma „Wabag“ – bei der übrigens zeitweilig auch Hohlmeiers Ehemann gearbeitet hat – an Anlagebetrügereien in Höhe von 100 Millionen Euro beteiligt gewesen zu sein. Strauß-Anwalt Dingfelder sagt, dass Max schon damals wegen psychischer Probleme nicht mehr „den Totaldurchblick“ gehabt habe und deshalb vermindert schuldfähig sei.

Klar ist eines: Alle Details, die jetzt aus seinem Umfeld gezielt veröffentlicht werden, tragen dazu bei, den Ruf von Max Strauß endgültig zu zerstören. Seine Anwaltszulassung hat er bereits zurückgegeben, das Stigma des Nervenkranken, des vermindert Zurechnungsfähigen wird er wohl nie wieder loswerden.