: Klüngler vorm Kadi
Im Kölner Müllskandal steht die Staatsanwaltschaft kurz vor der Anklage. Es gibt schon mehr als 40 Täterakten
KÖLN taz ■ Ein Jahr nachdem durch den spektakulären Rücktritt des SPD-Ratsfraktionschefs Norbert Rüther der Kölner Müll- und Spendenskandal öffentlich wurde, steht die Staatsanwaltschaft vor ihrer Anklageerhebung gegen die fünf Hauptbeschuldigten. „Die Anklageschrift wird nach Karneval fertig sein“, bestätigte Oberstaatsanwältin Regine Appenrodt der taz.
Die Ermittlungsunterlagen füllen inzwischen über 120 Aktenordner. Allein die offizielle Hauptakte umfasst 10.000 Seiten. Nun, so sind die Ermittler überzeugt, können sie genau rekonstruieren, wie beim Bau der Kölner Müllverbrennungsanlage (MVA) in den Neunzigerjahren geschmiert worden ist. 21,6 Millionen Mark soll der Gummersbacher Anlagenbauers L & C Steinmüller über Scheinfirmen „verabredungsgemäß“ verteilt haben.
Im Zentrum des Schmutzgeschäfts: der Steinmüller-Manager und Geldverteiler Sigfrid Michelfelder, der großzügig bedachte damalige Geschäftsführer der halb städtischen Abfallentsorgungs- und Verwertungsgesellschaft AVG Ulrich Eisermann (SPD), der Viersener Müllmogul Hellmut Trienekens (CDU), der frühere SPD-Strippenzieher Karl Wienand und SPD-Fraktionschef Rüther – allesamt zur Zeit nur auf Kaution auf freiem Fuß.
Die Zusendung der Anklageschriften an die fünf Männer wird sich nun „noch etwas verzögern“, sagt Appenrodt. Ein neuer Aspekt müsse erst noch geprüft werden. Einzelheiten wollte sie nicht nennen. Die Verfahren gegen die fünf sind ohnehin nur die Spitze eines Eisbergs. Hatte die Staatsanwaltschaft bisher nur von einer Hand voll Beschuldigter gesprochen, so erfuhr die taz jetzt, dass insgesamt mehr als 40 Täterakten angelegt worden sind. Appenrodt bestätigte zwar die gestiegene Zahl der Verdächtigen, machte aber keine Angaben zu Personen oder Details. Nur so viel verriet sie noch: Die Spendensünder der Kölner „Danke-schön-SPD“ seien dabei nicht mitgerechnet.
Auch beim Schwarzgeld-Vertuschungsskandal der Domstadt-SPD, der durch den Rüther-Rücktritt Anfang März vergangenen Jahres aufflog, haben die Ermittler ihre Untersuchungen noch nicht endgültig abgeschlossen. Hierbei geht es um die „Danke-schön-Spenden“, mit denen sich die Genossen von Firmen belohnen ließen, nachdem diesen lukrative städtische Großaufträge zugeschanzt worden waren – auch im Zusammenhang mit der MVA. Der Großteil des Schwarzgelds floss in die Parteikasse. Dort stückelte sie Schatzmeister Manfred Biciste in nicht veröffentlichungspflichtige Kleinspenden und stellte dafür fingierte Spendenquittungen an „verdiente Parteimitglieder“ aus.
Brisant: Gegen den erbitterten Widerstand der SPD hat die Staatsanwaltschaft erst kürzlich gerichtlich durchgesetzt, auch die Protokolle der parteiinternen Schiedsgerichtsverfahren gegen die Spendenquittungsempfänger heranziehen zu dürfen. Darüber ist Kölns SPD-Chef Jochen Ott empört: „Das ist eine sehr schlimme Sache, weil das dazu führen kann, dass in Zukunft keine Partei mehr intern aufklären wird.“ Denn schließlich werde kaum ein Mitglied noch bereit sein, in einem parteiinternen Verfahren offen auszusagen, wenn es damit rechnen müsse, dass seine Aussagen später bei der Staatsanwaltschaft liegen.
Die Kölnerinnen und Kölner begingen unterdessen das einjährige Jubiläum ihres Müll- und Spendenskandals karnevalistisch: So wurde auf einem Motivwagen des Rosenmontagszugs die Mafiahauptstadt Palermo an den Rhein verlegt, und auf einem anderen verwehrt Petrus den „Sozis“ den Einzug in den Himmel – eine schlimme Drohung im katholischen „Kölle“.PASCAL BEUCKER, FRANK ÜBERALL