: In Männerdomänen fit
Ilse Aigner war im Bundestagsausschuss für Bildung, Wissenschaft und Forschung für Weltraumforschung zuständig
BERLIN taz ■ Sie sei eine leidenschaftliche Hörerin von Supertramp, Michael Jackson und Madonna, „ein Pop-Mäuschen“, bekannte sie in einem Interview des Berlin-Brandenburger Radiosenders Radio Eins im Sommer. Ein Mäuschen ist die 43-jährige CSU-Politikerin aus dem oberbayerischen Starnberg allerdings nur in punkto Musikgeschmack. Bisher hat sie sich vor allem in Männerdomänen behauptet und im politischen Berlin einen Namen gemacht. Im Bundestag hat sich die gelernte Elektrotechnikerin für die CSU im Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Forschung vor allem um Forschungspolitik gekümmert und sich unter anderem mit Weltraumforschung befasst.
Mitglieder des Bildungsausschusses beschreiben sie als souverän im Auftritt, aber freundlich und vermittelnd. Selbst auf die Politiker der Linken könne sie offen zu gehen, dazu sei in der CSU nicht jeder in der Lage. Aufgrund dieser Moderationsfähigkeiten gilt sie auch als die entscheidende Vertreterin der Union im Bildungsausschuss. Ihr Kollege Jörg Tauss von der SPD hat jedenfalls seine Glückwunsch-SMS zum neuen Amt „gerne geschickt“, wie er sagt. Aigner sei eine angenehme Verhandlungspartnerin, zu pragmatischen Lösungen fähig. Allerdings gebe es im Bereich Bildung und Forschung auch „etwas zu verteilen“, sagt Tauss. In Konfliktsituationen habe er die Kollegin noch nicht erlebt – und in die müsse sich ein Verbraucherschutzminister ja qua Amt ständig begeben. „Wie Frau Aigner damit klarkommt, die bayerischen Höfe zu befrieden, das wird spannend“, findet der SPD-Politiker.
Die rebellischen Milchbauern vom Bund deutscher Milchviehhalter (BDM) werden wohl mit die Ersten sein, die mit einem Forderungskatalog bei der neuen Ministerin auflaufen. Ihr Vorgänger Horst Seehofer sei in der entscheidenden Phase der Milchpreisverhandlungen mit den Ländern abgetaucht, sagt Martin Kugler, BDM-Vorstand aus Baden-Württemberg. „Wir hoffen, dass Frau Aigner schnell Beziehungen in die Länder hinein knüpft“, sagt Kugler, die fehlten Aigner bisher ja gänzlich. Dass sie von außen kommt, könne aber auch von Vorteil sein. Vielleicht sei sie, keinerlei Seilschaften verpflichtet, Sachargumenten zugänglich.
„Noch nie hat sie sich bisher für den Schutz von Natur, Umwelt oder Bürgern interessiert“, wettert Ruth Paulig, Grünenpolitikerin aus Aigners Stimmkreis Starnberg. Im Landkreis gebe es das Projekt, einen Naturpark einzurichten – ohne Engagement der CSU-Frau. Auch für Belastungen der Bevölkerung durch den Ausbau des Flughafens Oberpfaffenhofen westlich von München habe Aigner kein Interesse gezeigt.
Andreas Bauer, Gentechnikexperte vom Münchner Umweltinstitut, findet die Vorstellung einer Landwirtschaftsministerin Aigner „erschreckend“. Als forschungspolitische Sprecherin habe sie sich zur grünen Gentechnik bekannt und die Potenziale von gentechnisch veränderten Pflanzen gelobt. „Das liest sich, als habe es ihr ein Industrieverband der Biotechnologie diktiert“, seufzt Bauer. Jahrelang hätten Umweltorganisationen daran gearbeitet, Horst Seehofer für die Gefahren der Gentechnik zu sensibilisieren – „nicht ganz unerfolgreich“, findet Bauer. „Und nun fangen wir wieder ganz von vorne an.“
HEIKE HOLDINGHAUSEN