: Unkorrektes Polizeivorgehen
Das Amtsgericht spricht einen Schanzenpark-Aktivisten vom Vorwurf des Hausfriedensbruch frei. Die Außenanlage des Mövenpick-Hotels sei kein befriedeter Raum, da eine Abzäunung fehlt
VON KAI VON APPEN
Diese Entscheidung hat sich Amtsrichter Bernd Hansen nicht leicht gemacht und dafür tief in der Geschichte der Rechtsliteratur gekramt. Dann ist er zu folgendem Schluss gekommen: Das Mövenpick-Hotel im Schanzenpark ist kein „befriedendes Besitztum“ im Sinne des Strafgesetzbuch, das schon vom Reichsgericht definiert worden ist. Infolgedessen spricht Hansen Thomas J.* vom Vorwurf des Hausfriedensbruch frei.
Der Aktivist des Freien Netzwerk zum Erhalt des Schanzenparks war angeklagt worden, 2007 trotz Hausverbotes beim Spaziergang mit seinen Hunden auf dem Wasserturm-Rundweg das Gelände des Hotels betreten zu haben. Dieses vermeintliche Gelände wird durch eine in den Boden gelassene Randsteinkante definiert, die den Sandweg und die Grünflächen rund um das Hotel trennen. „Diese Randsteinkante sind vom Mövenpick und dem LKA einmal als Orientierungsmarke für die Grundstücksgrenze definiert worden“, sagt J.s Anwalt Andreas Beuth. Daran sollten sich die Polizeieinsatzkräfte, die monatelang den umstrittenen Hotelneubau bewacht haben orientieren, um gegen vermeintliche Protestler wegen Hausfriedensbruch vorgehen zu können.
Doch das sei keine ausreichend erkennbare Barriere, um daraus einen privaten Schutzraum abzuleiten, befand nun Richter Hansen. Denn laut Reichsgericht im Urteil zum „befriedeten Besitztum“ vom Dezember 1884, das in modifizierter Form noch Gültigkeit hat, muss ein Grundstück „mittels zusammenhängenden Schutzwehren gegen das beliebige Betreten durch andere gesichert“ sein, sagt Hansen in seinem Beschluss. „Das bedeutet, dass die Begrenzung die Bedeutung eines – wenn auch nicht unüberwindbaren – körperlich wirkenden Hindernisses haben muss“, betont der Amtsrichter.
„Diese Wirkung habe weder die Steinkante vom Weg noch die mehrfach durchbrochene heckenartige Bepflanzung“, so Hansen. Das Grundstück um das Mövenpick Hotel sei stattdessen „allenfalls in optisch beziehungsweise psychischer Weise abgegrenzt“, betont Hansen. „Das reicht nicht aus. Mövenpick muss schon einen Zaun ziehen.“
„Das ist eine Schlappe für Mövenpick und das LKA“, frohlockt Beuth. Denn das Urteil – sofern es rechtskräftig werde – habe Auswirkungen auf andere gleichgelagerte Verfahren. So hat auch J.s Lebensgefährtin Renate C.* mehrere Verfahren wegen Hausfriedensbruch am Hals, die bei ihr in mehreren Fällen zugleich als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ausgelegt worden sind, da sie sich „gesperrt“ haben soll und nicht freiwillig weggegangen sei.
Gegen C. war sogar im vorigen Winter ein Parkverbot wegen wiederholtem Hausfriedensbruch verhängt worden.
Denn in diesem Fall könnte der Paragraf 113 Abs. 2 Strafgesetzbuch greifen, wonach bei unberechtigten Vorgehen der Polizei einfache Widerstandshandlungen straffrei bleiben.
So hatte das Bundesverfassungsgericht im vorigen Jahr die Verurteilung eines Mannes als verfassungswidrig aufgehoben, der aus einer Spontandemo heraus zu Unrecht verhaftet worden war und dagegen Widerstand geleistet hatte.
Dieser Paragraf müsste wohl auch in diesem Komplex Anwendung finden. Denn nach Auskunft des Hamburger Staatsrechtlers und Rechtswissenschaftlers Ulrich Karpen ist es „legitimes Recht“, verbal einem Polizeihandeln zu widersprechen, „wenn das allen Anschein nach unberechtigt“ sei. „Zu protestieren ist erlaubt“, sagt Karpen ausdrücklich.
Da vor Ort aber die Polizei die Nase vorn habe – auch wenn der Polizist rechtswidrig handele, tue er es wohl im guten Glauben – sei es daher nun Aufgabe des zuständigen Gerichts, die Hintergründe und Umstände zu erforschen. Denn bei „physischen Widerstand durch Sperren“ müsse die Schuldfrage hinterfragt werden, so Karpen, und bei diesem Sachverhalt könne „es wohl zu einem Freispruch kommen“.
* Namen geändert