: Aus Hannover drohen Zumutungen
Niedersachsens Landeschef Wulff tritt zu Hymnen-Klängen und mit 50er-Jahre-Bildungsideen an. SPD: konstruktiv sein
HANNOVER taz ■ „Die Zukunft war früher auch besser“, zitierte gestern die Grünen-Fraktionschefin Rebecca Harms am Ende der konstituierenden Sitzung des neuen Landtags in Hannover den bayrischen Komiker Karl Valentin. Dabei hatte sie auch die neuen Umgangsformen im Auge, die mit dem Regierungswechsel zu Christian Wulff (CDU) im Landesparlament Einzug gefunden haben. Im 15. Niedersächsischen Landtag mit seiner satten schwarz-gelben Mehrheit werden endlich wieder Hymnen intoniert – natürlich begleitet von einer Polizeikapelle.
Nach der Wahl des neuen Ministerpräsidenten Christian Wulff, dem bei seiner Wahl am Dienstag dann doch eine der 106 Stimmen seiner CDU/FDP-Koalition fehlte, ertönte im Foyer blechern das Niedersachsenlied, das den schönen Refrain „Heil Herzog Wittekinds Stamm!“ hat. Auch die erste Regierungserklärung Wulffs, die mehr eine verspätete Wahlkampfrede war, führte zurück in die Vergangenheit.
Neue Gesamtschulen soll es in Niedersachsen nicht mehr geben, und das dreigliedrige Schulsystem soll bald schon ab Klasse fünf – zwei Jahre früher als bisher – beginnen. Harms sah denn auch eine bildungspolitische Rückkehr in die 50er-Jahre, die vor allem auf Kosten der sozial Schwachen gehe: „Wer die Gesellschaft spalten will, der fängt am besten in der Schule an“, kritisierte sie. Angesichts von bundesweit vier Millionen Arbeitslosen sei es unverantwortlich, dass Wulff die angeblich Arbeitsunwilligen in den Mittelpunkt seiner Erklärung gestellt habe. Wirtschaftpolitisch habe Wulff nur ein Sammelsurium altbekannter Formeln zur Beschwörung des Wachstum abgeliefert.
Anders als die Grünen bot der zum SPD-Fraktionsvorsitzenden zurückgestufte Exministerpräsident Sigmar Gabriel der CDU und seinem Amtsnachfolger Wulff auch Zusammenarbeit an. Die SPD wolle zwar die Oppositionsrolle übernehmen, aber nicht zu allem Nein sagen und sich an der Konsolidierung der Landesfinanzen beteiligen. Wulff kündigte in seiner Regierungserklärung zwar eine harten Sparkurs an und sprach von Zumutungen für die Bürger. Letztlich ließ er aber offen, wer am Ende für die Sanierung des Landeshaushalts leiden soll. Zunächst will die Landesregierung eine Haushaltsstrukturkommission einsetzen. Danach wird es wahrscheinlich lineare Kürzungen bei allen freiwilligen Leistungen geben, mit denen das Land noch soziale Einrichtungen und Projekte bezuschusst.
JÜRGEN VOGES