: Dem Design ein klares Nein
Während die Produktgestaltung die Weltherrschaft angetreten hat, feiert die Wilhelm-Wagenfeld-Stiftung ihr zehnjähriges Bestehen: Als kritische Institution ist sie für Bremen unentbehrlich
Packt man CD-Player, Creme-Tuben, Tütensuppen, Schulfüller, Fernseher und Küchenmaschinen ins Museum? Aber natürlich! Am besten auch Straßenlaternen und Sprudelflaschen, ganz zu schweigen von dem unvermeidlichen Rasierer, der ohnehin schon da ist.
Genau genommen kann jedes in der westlichen Welt verfügbare Produkt zum Schaustück avancieren – einschließlich der Geräusche, die es von sich gibt: Oder glauben Sie, die Tür eines Mercedes schmatzte, wenn man sie zuschlägt, nur deshalb so selbstzufrieden, weil’s technisch nicht anders ginge? Einzige Voraussetzung: Es muss ein Design-Museum sein – wie das Bremer Wilhelm-Wagenfeld-Haus, wo die gleichnamige Stiftung gestern mit Stehrumchen und Ansprachen ihr zehnjähriges Bestehen beging. Heute nämlich ist, wie der Kölner Designer Günter Hontrich einmal diagnostiziert hat, „alles gestaltet – von Umwelt über Politik bis zu Jeans.“ Mais und Babys werden folgen.
Das macht die 1907 von Peter Behrens aus der Taufe gehobene Ideologie zur einzigen Irrlehre des 20. Jahrhunderts, die ihren hegemonialen Anspruch verwirklicht hat. Das Design beherrscht die Welt.
Das zu erreichen war diesem Abklatsch Bildender Kunst möglich, weil seine Ideale alles andere sind als transzendent. Deren lapidare Formel – „das Geld auf sich strömen machen und den Markt behalten“ – hatte bereits Gründervater Behrens geprägt. Geändert hat sich daran wenig. Auch die Mittel zum Zweck sind weitgehend gleich geblieben: Die Durchgestaltung aller Facetten eines Produkts inklusive seines Herstellers und des Entstehungsprozesses – denen spiegelbildlich alle seine Nutzanwendungen zugeordnet werden können. Denn – klingt das nicht nach einer Totalitarismus-Formel? – im Leben der Massen soll sich die Utopie verwirklichen.
Nur welche Rolle nimmt die Wagenfeld-Stiftung in diesem Spiel ein? Wirtschaftssenator Hartmut Perschau (CDU) lobte sie bei der Feier, weil sie allen mit Design befassten vermittle, „in Bremen gut aufgehoben“ zu sein. Und weil sie mit dem Museum ein Forum geschaffen habe, Produkte von „herausragender Ästhetik“ zu präsentieren. Das entspricht in etwa der Erwartungshaltung des Besuchers einer Kunsthalle. Der würde vor Gerd Müllers Küchenmaschine von 1957 stehenbleiben und genießerisch die Augen rollen. Oder den Kopf wiegen, als gäbe es an ihr etwas nachzudenken, wie an einem Readymade von Duchamps. Doch das ist nicht der Fall: Sie ist kein Pissoir, das sich als Springbrunnen ausgibt. Sie ist eine Küchenmaschine.
Sie ins Museum zu stellen, kann eine solche Ästhetisierung bewirken. Es kann aber auch einen Sklavenaufstand im unentrinnbaren Imperium der industriellen Gestaltung bedeuten. Denn die Wiederholung des Alltags in Vitrinen und auf Schautischen erlaubt, ihn in den Blick zu bekommen. Und das schockierende Ausmaß seiner Normierung zu erkennen. Das macht die Wagenfeld-Stiftung so wertvoll.
Benno Schirrmeister