Wochenübersicht: Kunst : Meike Jansen schaut sich in den Galerien von Berlin um
Das neue Jahr hat zwar begonnen, aber so recht weiß man nicht, wo es hingeht. Zeit für eine poetische Identitätskontrolle, Zeit für die Ausstellung von Fiona Tan. Man könnte der in Indonesien geborenen Künstlerin vorwerfen, dass man nach einem Besuch ihrer Präsentation mit etwa 15 Videoinstallationen nicht so recht weiß, was die Künstlerin einem sagen will. Unruhe macht sich gar breit, die nicht so recht mit den ruhigen, manchmal sogar stillen, an Fotografie grenzenden Bildern übereinstimmen mag. Etwa die Bogenschützinnen, die Tan in Osaka im Sanjûsangen-dô-Tempel zum japanischen Jahreswechsel entdeckte. Die beiden Filme auf großen Projektionsflächen geben nach und nach immer weitere Fragen zu Identitäten preis. Zunächst sieht man die jungen Frauen, wie sie sich stabilisieren. Bunte Fetzen von Kimonos wischen durch das Bild, bis die Kamera die konzentrierten Gesichter einfängt. Im Hintergrund rauscht das Publikum. Die theatralische Pracht der Haarspangen und das aufwändige Make-up der Frauen erinnern an kunstvolle Mauern. Und doch meint man, man könnte den Wettstreiterinnen in den Nacken hauchen. Ferne und Nähe sind aufgehoben, im Wettkampf wie in der Beobachtung. Dann überträgt sich die gesamte Spannung auf die Sehnen. Die Sehnsucht nach dem Erleichterung verheißenden Abschuss schwillt an. Doch der Moment lässt sich nur erahnen. Sogleich wird der nächste Pfeil gezückt, die Konzentration reißt nicht ab. Auf der Rückseite der Leinwand: die vermeintliche Entspannung. Erst der Schuss, dann die Enttäuschung in den Gesichtern der Frauen. Fiona Tan zeigt nicht die Gewinner- oder Verliererin, sondern deutet auf den Moment, in dem die Selbstkontrolle für den Bruchteil einer Sekunde schwindet und sich wieder ausdehnt. Das Leben bleibt eben verwirrend schön. Auch in diesem Jahr.