Wolf soll das Sozialticket retten

PDS setzt Nachverhandlungen durch: Wirtschaftssenator will BVG bewegen, Ticket für sozial Schwache zu 39 Euro anzubieten. Der SPD-Vorstand stellt sich gegen Wowereit, Strieder und Sarrazin

von ROBIN ALEXANDER

Nach einer heftigen Kontroverse im Senat über die Abschaffung des Sozialtickets ist jetzt Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) beauftragt, neue Verhandlungen mit dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg aufzunehmen. Wolf soll erreichen, dass die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) ein Monatsticket zum Preis von 39 Euro für sozial Schwache anbietet. Die SPD-Mehrheit im Senat knüpfte daran jedoch die Bedingung, dass sich dieses Angebot für die BVG rechnen muss.

Damit folgte der Senat weitgehend einer Vorlage der Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS). Das alte Sozialticket kostete 20,40 Euro. Das neue Knake-Werner-Ticket soll nun 39 Euro kosten, der Anspruch darauf soll jedoch nicht auf Sozialhilfeempfänger beschränkt sein. Vielmehr soll jeder, der aus sozialen Gründen von den Rundfunkgebühren befreit ist, auch ein Knake-Werner-Ticket bekommen. Dieses Kriterium hat den Vorteil, dass keine neue Bürokratie für Feststellung des Anspruchs entsteht. Zudem, so argumentierte Knake-Werner gestern im Senat, kämen dadurch auch Geringverdienende in den Genuss des Tickets. So könne eine Bevorzugung von Sozialhilfeempfängern vermieden, die vor allem Verkehrssenator Peter Strieder (SPD) befürchtet. Eine Senatsbürgschaft für das neue Sozialticket, wie sie die BVG gefordert hatte, sieht Knake-Werners Vorschlag nicht mehr vor.

Trotzdem stieß der Plan auf heftige Gegenwehr: „Anders als in einem Flächenland sind in Berlin die Entfernungen nicht so groß“, argumentierte Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) nach Teilnehmerangaben: Deshalb könnten Sozialhilfeempfänger auch zu Fuß gehen. Verkehrssenator Strieder argumentierte, an einem Sozialticket, das sich nicht rechnet, könne das Land Berlin als Eigentümerin der BVG kein Interesse haben. Überraschend wand sich auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) in der Senatssitzung gegen den Knake-Werner-Vorschlag: Der Senat dürfe auf keinen Fall hinter einen einmal getroffenen Beschluss zurückfallen.

Der Senat habe lediglich beschlossen, den Zuschuss für das Sozialticket zu streichen, nicht jedoch das Sozialticket selbst, erklärte hingegen Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS). Die BVG sei sehr wohl in der Lage, ein entsprechendes Angebot zu machen, das sich auch betriebswirtschaftlich rechne.

Bereits am Vorabend war die SPD-Ablehnungsfront ins Wanken geraten. Ausgerechnet der SPD-Landesvorstand hatte einstimmig beschlossen: „Die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats von Berlin werden (...) aufgefordert, über eine pauschalisierte Gesamtlösung zur Wiedereinführung eines Sozialtickets zu verhandeln.“ Pikant: Wowereit, Strieder und Sarrazin hatten das am Montag bis in den späten Abend tagende Gremium bereits verlassen, als ihre Genossen auf PDS-Linie einschwenkten.

Nun ist Wolf beauftragt zu tun, was Strieder ohne echtes Herzblut erfolglos versuchte: die BVG doch noch zu einem Sozialticket zu bewegen.

Offiziell tut er dies in seiner Funktion als Vorsitzender der Gewährträgerversammlung des Verkehrsverbunds. Die Verhandlungen dürften schwierig werden: In der BVG kursieren Zahlen, das Ticket à la Knake-Werner würde sieben Millionen Euro Verluste einbringen. PDS-Fraktionschef Stefan Liebich gab gestern die Linie vor: „Die BVG erhält jedes Jahr 500 Millionen Euro Subventionen. Da muss sie ein Sozialticket einrichten können.“