: Großbank WestLB erklagt Galgenfrist
EU-Gericht bringt Teilerfolg: Milliardenforderung muss neu gerechnet werden. Präzedenzfall für Landesbanken
BERLIN taz ■ Die WestLB hat zumindest etwas Zeit gewonnen in ihrem Milliardenprozess. Zwar entschied gestern das Europäische Gericht Erster Instanz (EuG), dass die Bank vom Land Nordrhein-Westfalen eine „rechtswidrige Beihilfe“ erhalten hat. Doch wie viel Geld die Bank an das Land zurückzahlen muss, ist noch offen. Ein Bescheid von Wettbewerbskommissar Mario Monti sei „nichtig“, so das Gericht, weil er „nicht ausreichend begründet“ wurde. Monti hatte die Rückzahlung von 808 Millionen Euro (mit Zinsen: 1,5 Milliarden Euro) gefordert.
Konkret geht es um eine Aufstockung des Bankkapitals durch das Land im Jahr 1992. Die öffentliche Bank durfte sich damals die Wohnungsbauförderungs-Anstalt (WfA) im Wert von rund 2 Milliarden Euro eingliedern, musste dieses Eigenkapital aber nur mit 0,6 Prozent Zinsen jährlich bedienen. Viel zu niedrig, fand die EU-Kommission, bei der sich deutsche Privatbanken beschwert hatten. Angemessen wäre nach Ansicht von Monti eine Verzinsung von 9,3 Prozent pro Jahr gewesen.
Auf Klage der WestLB stellte das EU-Gericht jetzt aber fest, die Kommission habe nicht ausreichend begründet, wie sie auf den „angemessenen Zinssatz“ von 9,3 Prozent gekommen war. Dadurch wurde die ganze Entscheidung nichtig. Im Prinzip, so das Gericht, war die Überlegung der Kommission allerdings richtig: Wenn der Staat Kapital zu billig überlässt, ist das eine unzulässige Beihilfe. Gegen diese Entscheidung können beide Parteien binnen zwei Monaten Rechtsmittel beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einlegen.
Falls das gestrige Urteil rechtskräftig wird, muss Wettbewerbskommissar Mario Monti neu vor allem transparenter rechnen. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass die Kommission erneut einen Zinssatz von 9,3 Prozent für „angemessen“ hält.
Für die Zukunft ist der Beihilfestreit zwischen WestLB und Kommission allerdings beigelegt. Nach der im Sommer erfolgten Aufspaltung der Bank in die kommerzielle WestLB AG und die öffentlich-rechtliche Landesbank NRW verblieb das WfA-Kapital im öffentlich-rechtlichen Bereich, womit die Kommission einverstanden ist.
Der Streit zwischen Monti und der WestLB ist ein Präzedenzfall. Die Kommission prüft derzeit auch ähnliche Kapitalaufstockungen von sechs anderen Landesbanken (NordLB, die Landesbank Kiel, die Landesbank Hessen-Thüringen, die Hamburgische Landesbank und die Bayerische Landesbank).
CHRISTIAN RATH