Sie ist die Begehrteste

Rosi Düerkop ist Tagesmutter und als solche eine Institution im Viertel. An die 60 Kinder wurden bei ihr groß

„Bitte und Danke sollen die Kinderbei mir lernen,wenn sie’s nicht schon können“

Ihre eigene Tochter war noch im Kindergarten, als der Drogist von nebenan ihr den ersten Job verschaffte: Eine Schauspielerin aus der Schweiz hatte kurzfristig ein Engagement in Bremen und suchte Hände ringend Betreuung für ihre Tochter. „Gehen Sie zu Rosi, die macht das“, soll der Drogist damals gesagt haben. Und Rosi hat es gemacht. Seitdem wohl an die 60-mal. Sechzig Kinder, die bei ihr gespielt, geschlafen, gegessen, geweint und gelacht haben.

„Manche von den ganz alten kommen heute noch“, erzählt die 64-Jährige. Morgens um halb sieben fängt der Tag an. Dann geht die Enkelin, die bei ihr wohnt, zur Schule. „Danach fang’ ich an, vorzukochen für die Kinder.“ Um halb neun kommen die ersten Kinder, die ihren Tag bei Rosi verbringen werden. Der Spielplatz an der Gleimstraße ist ein festes Ausflugsziel. Um sechs Uhr abends wird das letzte Kind abgeholt.

Kinder hüten, das ist kein Job zum Geldverdienen, sagt sie. Sie macht es gerne, hat gerne ein volles Haus. Sogar am Wochenende. Rosi ist auch deshalb die begehrteste Tagesmutter im Viertel, weil sie nicht auf die Uhr, nicht auf den Wochentag guckt. „Coras Eltern waren übers Wochenende in Amsterdam, da hat sie zwei Nächte bei mir geschlafen“, erzählt sie. Und damit ist Cora keine Ausnahme.

In ihrem Wohnzimmer steht ein Esstisch, sechs stoffbezogene Stühle drumrum. Es sieht nicht aus, als ob hier jeden Tag ein ganzes Rudel Ein- bis Sechsjähriger Mittag isst. Eine kleine Küche aus Plastik steht herum, jede Menge Bücher liegen auf dem Teppich.

Jetzt, um zwei Uhr nachmittags, schlafen die Gäste-Kinder im Zimmer der Enkelin und Rosi sitzt auf ihrem Sofa in ihrem bescheidenen Bremer Haus im Steintor. Ihre Tochter Nicki, von Beruf Hebamme, ist zu Besuch. Vier rosafarbene Azaleen stehen auf der Fensterbank, dazwischen schläft eine gefleckte Katze.

„Ich habe ganz klar meine Grundsätze“, stellt Rosi fest, „Beim Essen bleibt man sitzen, bis alle fertig sind. Bitte und Danke sollen die Kinder bei mir lernen, wenn sie’s nicht schon können. Und mittags wird Ruhezeit gehalten.“

Streng ist sie ganz bestimmt nicht, „aber man muss bei den Kindern am Ball bleiben“.

Das habe sie gelernt, nicht zuletzt, weil sie bei ihrem Sohn „vielleicht manchmal zu nachgiebig“ war. Er ist mit 31 noch immer das „Sorgenkind“, Drogenprobleme haben ihm und der Familie das Leben schwer gemacht, jetzt geht es ihm gut. Es ist seine Tochter, die bei Rosi im Haus lebt und auch schon mal ein paar Euro verdient mit Baby-Sitting. Aber auch das hat sie durch ihren Sohn gelernt: „Jedes Kind ist anders und man hat nicht alles in der Hand.“

Fünf Jahre noch will sie als Tagesmutter arbeiten, wenn sie so fit bleibt, wie sie jetzt ist. Dafür braucht sie „zweimal Urlaub im Jahr mit meinem Mann und gerne im Süden“. Ihr Mann, der schon in Rente ist, macht Leichtathletik und ist viel unterwegs. Wenn er da ist, dann fragt er: Wie hältst du das aus, den ganzen Tag so viele Kinder? „Ich erhole mich eben abends“, sagt Rosi. Und wie? „So“, sagt sie und kippt auf dem Sofa in die Horizontale. „Und Augen zu und Musik hören.“

Elke Heyduck