: Streit um Reform der Arbeitslosenhilfe
Unternehmer: Arbeitslosengeld II ist zu hoch. Neuer Clement-Vorschlag zur Lockerung des Kündigungsschutzes
BERLIN taz ■ Arbeitslosen- und Sozialhilfe sollen zusammengelegt werden – und zunehmend regt sich der Protest von Arbeitgebern und Gewerkschaften. Dieter Hundt, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), erklärte gestern, die geplante Zusammenlegung sei „kontraproduktiv“. Es sei ein falsches Signal, wenn arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger und ein Teil der Arbeitslosenhilfeempfänger mit dem neuen Arbeitslosengeld II künftig finanziell besser gestellt werden.
Während Hundt der Meinung ist, das Arbeitslosengeld II sei zu hoch, sind die Gewerkschaften genau der umgekehrten Ansicht. Eine Absenkung der Arbeitslosenhilfe auf das so genannte Arbeitslosengeld II sei abzulehnen, erklärte gestern Marion Knappe, Sprecherin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Derzeit entwickelt eine beim Bundeswirtschaftsministerium angesiedelte Expertengruppe ein Konzept zur Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, das Ende März vorgestellt werden soll.
Die Zusammenlegung zum Arbeitslosengeld II soll ab 1. Januar 2004 gelten. Das Arbeitslosengeld II soll etwa 10 Prozent über der bisherigen Sozialhilfe liegen. In den Genuss des Arbeitslosengeldes II sollen sowohl die erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger als auch die Bezieher von Arbeitslosenhilfe kommen. Die Zusammenlegung bedeutet zum einen, dass viele der 1,7 Millionen Arbeitslosenhilfeempfänger künftig weniger Leistung bekommen als bisher. Jobfähige Sozialhilfeempfänger aber erhalten dann etwas mehr Geld als heute.
Genau letzterer Punkt aber ist problematisch: Hundt erklärte gestern, es gebe keine Notwendigkeit, arbeitsfähige Hilfeempfänger künftig besser zu versorgen als nicht arbeitsfähige. Die Arbeitgeber fordern, das Arbeitslosengeld II niedriger zu halten als die bisherige Sozialhilfe.
Die Gewerkschaften dagegen beklagen die drohende Verarmung von Arbeitslosenhilfeempfängern. Das Arbeitslosengeld II müsse höher sein als bisher geplant, so Knappe. Allerdings ist offenbar vorgesehen, älteren Langzeitarbeitslosen künftig für 24 Monate Zuschläge zum Arbeitslosengeld II zu gewähren. Hundt lehnte diese Zuschläge gestern ebenfalls ab. Auch der Wirtschaftsexperte der CDU, Friedrich Merz, wandte sich gegen das Arbeitslosengeld II. Für die Sozialhilfeempfänger „zehn Prozent draufzulegen“, halte er für falsch, erklärte Merz.
Zum Thema Kündigungsschutz wartete Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) gestern mit einem neuen Vorschlag auf: Danach sollen künftig bei betriebsbedingten Entlassungen zwischen Unternehmen und Betriebsrat Vereinbarungen getroffen werden, welche Beschäftigten gekündigt werden und welche nicht. Die bisher übliche Sozialauswahl nach Alter, Betriebszugehörigkeit und Familienstand würde dann durch solche Vereinbarungen ersetzt, erklärte Clement der Financial Times Deutschland. Die Änderung würde es den Unternehmen ermöglichen, bei Entlassungen Leistungsträger zu halten, die jung und kurze Zeit im Betrieb sind.
Beim DGB hieß es gestern zu dem Vorschlag, man wolle nicht „jeden Testballon“ kommentieren, sondern warte die Regierungserklärung des Bundeskanzlers zum 14. März ab. Darin sollen Reformpläne für die Sozialpolitik vorgestellt werden. BARBARA DRIBBUSCH