: Diplomaten machen mobil
Frankreich versucht vielgleisig, eine Kampfabstimmung im Sicherheitsrat zu vermeiden. Tauziehen um die Stimmen der afrikanischen Ratsmitglieder
aus Paris DOROTHEA HAHN
Vorsicht ist ein Hauptelement von Diplomatie, auch der französischen. In den letzten Tagen vor der entscheidenden Sitzung des Weltsicherheitsrates fährt Paris daher vielgleisig: In New York erklärt die UN-Delegation optimistisch, es werde keine Mehrheit für einen Krieg geben. Von Paris aus startet Außenminister Dominique de Villepin zu einer Blitzreise zu den drei afrikanischen Weltsicherheitsratsmitgliedern, um die nötige, aber keineswegs garantierte afrikanische Unterstützung gegen einen Krieg festzuklopfen. Und am Sitz von Präsident Chirac, dem Elysée-Palast, schlägt man eine Weltsicherheitsratssitzung auf allerhöchster Ebene vor. Für den Fall, dass es doch zu einer Kampfabstimmung kommt, will Paris den US-Präsidenten Bush zu einem peniblen Tête-à-tête mit den Herren Putin, Jiang Zemin, Chirac und Schröder und anderen bringen. „Wenn es um Leben und Tod geht“, so begründet der Elysée-Palast seine neue Initiative, „muss das auf dem allerhöchsten Niveau entschieden werden.“
Ziel der vielgleisigen Diplomatie ist es, ein Veto im Weltsicherheitsrat zu vermeiden. Denn ein Veto würde nach französischer Lesart die transatlantischen Beziehungen oder zumindest jene zwischen Frankreich und der angelsächsischen Welt nachhaltig belasten. Auch wenn mit Moskau und Peking zwei weitere ständige Weltsicherheitsratsmitglieder in der verklausulierten Sprache der Diplomatie mehr oder weniger deutlich angekündigt haben, dass sie ein Veto einlegen würden, wenn es nötig wäre.
Die Vermeidung einer neuen Abstimmung im Sicherheitsrat hätte den zusätzlichen Vorteil, die USA möglicherweise von ihren gegenwärtigen Vorkriegsalliierten zu isolieren. Denn sowohl die britische als auch die spanische, möglicherweise auch die bulgarische Regierung könnten einen Krieg innenpolitisch nur dann rechtfertigen, wenn sie die Rückendeckung der Vereinten Nationen hätten. Nur die USA, so vermutet Paris, werden es sich leisten, ohne die UNO in einen Krieg zu ziehen. Dass in London am Wochenende nach Zeitungsberichten mindestens fünf Mitglieder der Labour-Regierung Tony Blair ankündigten, sie würden zurücktreten, wenn Großbritannien in einen Krieg ohne UN-Mandat zöge, bestätigt die Pariser Sicht.
Am Freitag, im Weltsicherheitsrat, hatte Frankreichs Außenminister erklärt, dass die Entwaffung des Irak auf gutem Weg sei. „Warum sollten wir Instrumente [die UN-Inspektion, d. Red.] zerstören, die gerade erst ihre Effizienz bewiesen haben?“, fragte Villepin. Und ging im nächsten Satz zu dem „Après-Irak“ über und den dann kommenden Krisen, für die ebenfalls ein „internationales Krisenmanagement“ nötig sei. Auch diese Mechanismen möchte Paris bei einer eventuellen Weltsicherheitsratssitzung auf der Spitzenebene definieren.
Im Weltsicherheitsrat gelten sechs nichtständige Mitglieder als „unentschieden“: Mexiko, Chile, Pakistan, Kamerun, Angola und Guinea. Die afrikanischen Länder hatten sich Ende Februar beim franko-afrikanischen Gipfel in Paris geschlossen hinter die französische Irakpolitik gestellt. Im Anschluss an den zweitägigen Gipfel hatten mehrere Spitzenpolitiker des Kontinents, darunter der südafrikanische Staatschef und Präsident der Afrikanischen Union, Mbeki, diese Rückendeckung für Frankreich als „verpflichtend“ für die drei afrikanischen Weltsicherheitsratsmitglieder bezeichnet. Doch der Chef eines kleinen afrikanischen Staates sprang aus der Reihe. Kagame aus Runda stellte sich nach dem Gipfel demonstrativ hinter die USA.
Sowohl Washington (telefonisch) als auch Paris (per Reisediplomatie) versuchen nun, die Risse in der afrikanischen Position auszunutzen. Dabei werden Handelsargumente eine zentrale Rolle spielen. Sowohl die einstigen französischen Kolonien Kamerun und Guinea als auch die ehemalige portugiesische Kolonie Angola haben die Gelegenheit, ihre Stimme im Weltsicherheitsrat optimal zu nutzen.