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Archiv-Artikel

Sag niemals nie in Hamburg

Hamburger CDU setzt ganz auf Bürgermeister von Beust und eine absolute Mehrheit bei der Wahl im Februar. SPD wünscht sich Rot-Grün, hält sich aber auch für eine große Koalition bereit. Schills neue Partei und die FDP liegen derzeit bei 4 Prozent

„Wir sind das Original“, sagt Schills Ex-Partei. Doch in Umfragen kriegt sie nur 1 Prozent

AUS HAMBURGSVEN-MICHAEL VEIT

Thomas Mirow ist ein Mann der Optionen. Auf nichts legt sich der Spitzenkandidat der Hamburger SPD fest, was sein Hauptziel gefährden könnte: den Sozialdemokraten nach zweieinhalb Jahren den Rückweg an die Macht in Hamburg zu bahnen.

„Rot-Grün ist die natürliche Alternative“ zur Rechts-Koalition unter Bürgermeister Ole von Beust (CDU), die im Dezember zerbrach, das räumt der 51-Jährige ein, der gestern Nachmittag vom SPD-Landesparteitag offiziell als Möchtegern-Bürgermeister nominiert wurde. Doch sei auch ein Ergebnis der Neuwahl am 29. Februar „vorstellbar“, orakelt Mirow, „das andere Überlegungen erzwingt“ – einer großen Koalition mit den Christdemokraten würde die SPD an der Elbe sich nicht verschließen. Aus Mirows Sicht verständlich, denn die politische Lage in der Hansestadt ist unübersichtlich.

Ole von Beust ist der große Favorit, der seine Partei euphorisch von der absoluten Mehrheit träumen lässt. Im September 2001 hatte er mit 26,2 Prozent das zweitschlechteste CDU-Ergebnis aller Hamburger Zeiten eingefahren – Bürgermeister wurde er dennoch, Ronald Schill sei Dank. Jüngste Wahlumfragen prophezeien ihm nun 42 bis 45 Prozent, bei einer Direktwahl des Regierungschefs würden gar zwei Drittel aller WählerInnen für ihn stimmen. Kein Wunder, dass die Union faktisch mit lediglich einem Thema in das zieht, was sie nur noch den „Bürgermeisterwahlkampf“ nennt: Ole. Der für morgen angesetzte Parteitag wird, kein Zweifel, eine Jubelinszenierung erster Güte.

Mirows Sozialdemokraten dümpeln derweil an der 30er Marke, weitere sechs Prozentpunkte niedriger als vor zwei Jahren. Zusammen mit den wiedererstarkten Grünen (etwa 13 Prozent) könnte dennoch ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der CDU erreichbar sein, aber nur in einem Drei-Fraktionen-Parlament. FDP und Schills neue Partei Pro-DM/Schill sind die Zünglein an der Waage.

Beide werden derzeit mit vier Prozent veranschlagt, eine Marke, die alles offen lässt. Ein paar Unions-Leihstimmen für die Liberalen, und sie können Seit’ an Seit’ mit der CDU vier Jahre lang in Hamburg regieren. Sofern nicht der Mann, der vor zweieinhalb Jahren mit 19,4 Prozent die politische Szenerie durcheinander wirbelte, ebenfalls den Sprung ins Rathaus schafft.

Sollte Schill die nahe liegend scheinenden Lagermehrheiten Rot-Grün und Schwarz-Gelb verhindern, bekäme die SPD als Juniorpartner der Union ihre zweite Chance. Und beide würden sich in das Schicksal fügen, das die WählerInnen ihnen auferlegten. „Das Wohl der Stadt“ würde wortreich bemüht werden, der Hinweis auf die kleine Hanseschwester Bremen dürfte nicht fehlen, wo Rot-Schwarz in zweiter Auflage regiert, und die beiden mächtigsten Institutionen Hamburgs, Handelskammer und Springer-Presse, würden das Bündnis segnen.

In der Opposition verbleiben müsste die Grün-Alternative Liste (GAL), die selbstbewusst und geschlossen zurück an die Macht drängt. Einstimmig – ein in der Geschichte der Hanse-Grünen historisches Ereignis – wurde Fraktionschefin Christa Goetsch am Wochenende von einem Parteitag zur Spitzenkandidatin gewählt. Schwarz-grüne Gedankenspiele, die im Spätherbst kursierten, sind derweil vom Tisch: „Kein Thema“ sind die einzigen Wörter, die Goetsch und ihre Grünen dafür erübrigen.

Kein Thema mehr ist auch Schills Ex-Partei Rechtsstaatlicher Offensive, deren drei Senatoren weiterhin im Amt sind. „Wir sind das Original“, behaupten sie trotzig auf ihren dürftigst besuchten Veranstaltungen. Nur etwa ein Prozent der WählerInnen glaubt das.