: Metaller wollen Verluste nicht tragen
40.000 Metaller beteiligen sich laut IG Metall an der Küste an Warnstreiks für acht Prozent mehr Lohn. IG Metall-Chef Berthold Huber sagt bei einer Kundgebung auf der Reeperbahn, die Beschäftigten seien nicht bereit, die Folgen der Finanzkrise zu tragen
VON KAI VON APPEN
Der Tarifkonflikt der Metall- und Elektroindustrie um acht Prozent mehr Lohn hat den Norden erreicht. 40.000 Beschäftigte in 150 Betrieben legten nach Gewerkschaftsangaben am Dienstag im Rahmen des „Küstenaktionstags“ in Bremen und Hamburg sowie in verschiedenen Städten Niedersachsens, Schleswig-Holsteins und Mecklenburgs die Arbeit für mehrere Stunden nieder. „Das waren beeindruckende Bilder“, sagte erfreut Jutta Blankau, Bezirksleiterin der IG Metall Küste. „Die Kolleginnen und Kollegen haben gezeigt, dass sie es ernst meinen.“
Bereits am Vorabend waren die Nachtschichten mit 1.700 Beschäftigten bei der Daimler AG, der Lear Corporation und dem Lloyd Dynamowerk in Bremen in einen mehrstündigen Ausstand getreten. Tagsüber legten weitere 7.000 Metaller die Arbeit nieder und zogen in einem Sternmarsch mit 3.500 Teilnehmern zu einer zentralen Kundgebung auf den Bremer Markplatz. In Bremerhaven, Leer, Papenburg, Oldenburg, Wilhelmshaven und Emden versammelten sich ebenfalls tausende Streikende zu Kundgebungen.
In Schleswig-Holstein kam es in zahlreichen Städten zu Demonstrationen vor den Betrieben. In Kiel beteiligten sich nach IG Metall-Angaben 3.000 Schiffbauer der HDW-Werft an einem Warnstreik und in Flensburg legten 1.000 Metaller bei der Flensburger Schiffbaugesellschaft sowie dem Aggregate-Hersteller Danfoss die Arbeit nieder. Im mecklenburgischen Wismar beteiligten sich 700 Gewerkschafter an einer Warnstreik-Kundgebung.
Höhepunkt des Aktionstages im Bezirk Küste war eine konzertierte Aktion in der Metropolregion Hamburg, an der Metaller aus den IG Metall-Verwaltungsstellen Hamburg, Bergedorf und Unterelbe beteiligt waren. Während sich nach Kundgebungen vor den Firmen Sterling SiHi in Itzehoe und Steen in Elmshorn am Morgen rund 1.000 MetallerInnen in einem Auto- und Buskonvoi aus der Unterelberegion auf dem Weg über die Autobahn nach Hamburg machten und sich aus Bergedorf ebenfalls ein Autokorso mit hunderten Teilnehmern in Bewegung setzte, hatten sich Beschäftigten der Sietas-Werft und des Harburger Daimler-Werks vor der Thyssen-Werft Blohm & Voss versammelt. Dort liegt zurzeit der Luxusliner Queen Mary zur Reparatur, auf dem die Arbeit ruhte. Die MetallerInnen marschierten wenig später durch den alten Elbtunnel nach St. Pauli, wo auf dem Spielbudenplatz an der Reeperbahn eine zentrale Kundgebung mit 7.000 Teilnehmern stattfand. Angeführt wurde der Zug von Auszubildenden, die Transparente trugen. „Trotz Krise wollen wir acht Prozent – weil wir nicht die Schulden sind.“
Hauptredner der Kundgebung, die in ein Kulturprogramm eingebettet war, war IG Metall-Chef Berthold Huber. In seiner Rede griff er Gesamtmetall-Chef Martin Kannegießer scharf an, der der Gewerkschaft vorgeworfen hatte, sie habe angesichts der Finanzkrise mit ihrer Acht-Prozent-Forderung „nicht alle Tassen im Schrank“. Es sei schon interessant, dass jene Unternehmer, die früher „das Loblied auf die freien Märkte und den unbegrenzten Wettbewerb gesungen haben“, nun nach staatlichen Hilfen riefen. Die „skrupellosen Zocker, die Milliarden in den Finanz-Casinos verspielt“ und „staatliche Einmischung wie der Teufel das Weihwasser gehasst“ hätten, „rutschten nun auf den Knien und betteln um staatliche Hilfen“, sagte Huber. „Ihre Gewinne haben sie privatisiert und die Verluste wollen sie sozialisieren.“
Auch Gesamtmetall habe mit ihrer „Initiative soziale Marktwirtschaft“ zu den „marktradikalen Geisterfahrern“ gehört, und verlange nun, „dass die Beschäftigten die Folgen der Finanzkrise ausbaden“ sollten. „Das ist eine Unverschämtheit“, schimpfte Huber, das 2,1 Prozent-Angebot der Metall-Unternehmen bedeute Reallohnverlust. „Die Metallunternehmen versuchen, aus der Finanzkrise ihren zusätzlichen Profit zu ziehen“, so Huber.
Bei einer globalen Finanzkrise die Binnenkonjunktur abzuwürgen, sei aber, wie einem „Magersüchtigen eine Nulldiät zu verordnen, damit er nicht verhungert“. Vielmehr sei eine Stärkung der Realwirtschaft und Binnenkonjunktur notwendig – und mehr Nachfrage gebe es nur durch höhere Löhne. Huber: „Wir nehmen diese Kampfansage an.“