: In Asien greift die Vogelgrippe um sich
Auch in Thailand sind Menschen an der Geflügelpest erkrankt, und der Virus breitet sich weiter aus. Farmer und Züchter werfen der Regierung vor, Seuchenmeldungen unterdrückt zu haben. Weltgesundheitsorganisation befürchtet gefährliche Mutationen
AUS BANGKOK NICOLA GLASS
Die Vogelgrippe in Asien breitet sich aus: Nach dem Tod von fünf Menschen in Vietnam ist womöglich auch in Thailand ein Mann an der Geflügelpest gestorben. Die Auswertung der Blutproben steht noch aus. Die thailändische Regierung musste gestern aber einräumen, dass zwei Kinder erkankt sind.
Das Gesundheitsministerium erklärte, die sechs und sieben Jahre alten Jungen hätten in der Nähe von Geflügelfarmen gelebt und seien mit Kadavern in Berührung gekommen. Zwei weitere Verdachtsfälle werden untersucht. Die EU, weltweit zweitgrößter Markt für thailändisches Geflügel, verhängte einen Einfuhrstopp. Japan, mit mehr als 270.000 Tonnen Hauptabnehmer für Hühnerfleisch aus Thailand, hatte den Import bereits am Donnerstag verboten.
Der für die Vogelgrippe verantwortliche Erreger H5N1 habe nicht nur in Japan, Südkorea und Taiwan Millionen Hühner infiziert, sondern sei jetzt auch in Kambodscha aufgetreten, hieß es bei der Welternährungsorganisation (FAO). Allerdings wurden von dort noch keine Erkrankungen von Menschen gemeldet.
Die Lage ist fatal: Aufgrund von Mutationen könne das Virus auch Menschen gefährden, warnt die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Das Risiko steige, dass sich das H5N1-Virus in eine „weitaus tödlichere Form“ verwandeln könne, so WHO-Sprecher Bob Dietz in Hanoi. Allerdings könne nicht vorausgesagt werden, wann diese Virusform auf Menschen überspringe. Sollte sich die Seuche weiter ausbreiten, könne die Übertragung von Mensch auf Mensch der nächste Schritt sein. Als Ursache für die Mutationen des Virus vermuten Experten die Haltung in engen Käfigen.
Für Thailand ist die Vogelgrippe auch wirtschaftlich verheerend: Das Land gehört zu den fünf größten Geflügelexporteuren der Welt, die Branche setzt jährlich rund 1,5 Milliarden US-Dollar um. Kein Wunder, dass Premier Thaksin Shinawatra noch Anfang der Woche vor Fernsehkameras demonstrativ Hühnchenspieße verspeiste.
Kritiker werfen der Regierung vor, sie habe die ersten Anzeichen der Vogelgrippe vertuscht. Erst kürzlich kam heraus, dass in mehreren Provinzen bereits Millionen von Hühnern getötet worden waren. Offiziell hatte es geheißen, die Tiere litten an der weniger gefürchteten „Vogelcholera“ oder an „Bronchitis“.
Die Geflügelfarmer sind verbittert: Züchter beklagen, sie seien von den Behörden als „ignorant“ abgestempelt worden, als sie die Geflügelpest als mögliche Ursache für den Tod von Tieren anführten. „Ich wusste sofort, dass es Vogelgrippe war“, sagte Chavalit Pholcharom, der schon kurz nach Weihnachten tote Hennen in seinem Stall entdeckt hatte.
Die thailändische Verbraucher misstrauen den offiziellen Beschwichtigungsversuchen: Beim chinesischen Neujahrsfest am Donnerstag blieben Geflügelverkäufer in Bangkok auf ihren Produkten sitzen. Um das Jahr des Affen einzuläuten, opferten die Gläubigen ihren Ahnen statt des traditionellen Hühnchens vegetarische Pizza.