: Angeklagter schweigt hinter Panzerglas
Nikolai H. soll im März einen Holzklotz von einer Autobahnbrücke auf einen BMW geworfen haben – eine junge Frau starb. Nun sitzt der drogensüchtige Mann im Gerichtssaal wegen Morddrohungen hinter Panzerglas. Er verweigert die Aussage
AUS OLDENBURG ANNEDORE BEELTE
Eine „harte Strafe“ fordert ein einsamer Demonstrant am Dienstag mit seinem Transparent vor dem Oldenburger Landgericht. Im Gebäude sitzen der Angeklagte und seine Verteidiger hinter einer Panzerglasscheibe: Vor dem Prozessauftakt gegen den mutmaßlichen Holzklotzwerfer gab es anonyme Morddrohungen.
Der 30-jährige Nikolai H. ist angeklagt, am Ostersonntag „heimtückisch und mit gemeingefährlichen Mitteln“ eine 33-jährige Frau ermordet zu haben, indem er einen rund sechs Kilo schweren Holzklotz von einer Autobahnbrücke warf. Laut Staatsanwältin Roswitha Gudehus hat er in der Dunkelheit den BMW abgepasst und den Holzklotz darauf geworfen, um einen Unfall zu verursachen. Die junge Frau auf dem Beifahrersitz starb noch am Unfallort vor den Augen ihres Mannes und ihrer beiden Kinder.
Auch der Witwer sitzt nun im Gerichtssaal. Er tritt beim Prozess als Nebenkläger auf und verfolgt fast regungslos, mit verschränkten Armen, den Prozess. „Für die Tat gibt es nur eine Strafe: lebenslänglich“, wird sein Anwalt Oliver Niedostadek am Ende des ersten Prozesstages gegenüber Pressevertretern sagen.
Nikolai H. indes schweigt zu den Vorwürfen. Der Drogenabhängige hatte bei seiner Festnahme zunächst gestanden, aus „allgemeinem Frust“ gehandelt zu haben, widerrief aber später. Seine Anwälte argumentieren, er habe das Geständnis unter Drogenentzug abgelegt.
Weil der Mann aus Kasachstan stammt, beantragen seine Verteidiger gleich zu Beginn, die Angeklageschrift zu übersetzen und einen Dolmetscher zu bestellen. Doch der Vorsitzende Richter sieht hierfür keinen Grund. Nikolai H. lebt seit 14 Jahren in Deutschland und hat einen deutschen Pass. Das Argument der Verteidiger, dass H. im Alltag Russisch spricht und wegen geringer kognitiver Fähigkeiten als „nicht vermittelbar auf dem Arbeitsmarkt“ gilt, reicht dem Richter nicht.
Der Angeklagte sitzt still hinter seinem Panzerglas. Mit kurzgeschorenem Haar, in schwarzem Anzug und offenem weißem Hemd erweckt er keineswegs einen verwahrlosten Eindruck. Die Verteidiger zeichnen ein anderes Bild: Mit 16 Jahren die Übersiedlung nach Deutschland, schlecht in der Schule, keine Ausbildung, Drogenkarriere. 2003 werfen ihn die Eltern raus. Seitdem lebt Nikolai H. allein, ist arbeitslos, nimmt Drogen.
Wegen des Disputs über den Dolmetscher stellen die Verteidiger einen Befangenheitsantrag gegen die Kammer: Die Schöffen hätten sich der Entscheidung des Vorsitzenden Richters ohne genaue Überprüfung der Sachlage angeschlossen.
Der nächste Verhandlungstag ist am 11. November.