Fußpflege unter der Grasnarbe : Zapfenstreich für kickende Kinder
Flug Nr. SP 1910, Destination Costa del Sol. An Bord Paare, deren Kinder auch schon Eltern sind, und deren Alterswehwehchen die spanische Sonne lindern soll, eine Handvoll heimkehrender Iberer und eine etwas seltsame, männliche Multi-Kulti-Gruppe. Die 35 mehr oder weniger jungen Herren sind uniformiert. Sie tragen schlecht sitzende Anzüge von der Stange, abenteuerlich geknotete Krawatten und Schuhe, bei denen Füße und Augen schmerzen. Ein Fußballverein auf dem Weg ins Wintertrainingslager. Masseur und Zeugwart atmen, so weit das noch möglich ist, auf: Rauchen über Frankreich erlaubt. Ein Teil der Mannschaft schläft, der andere sucht seine Namen in den Zeitungen.
Landung, Bustransfer zum Luxus-Hotel, die ersten Trainingseinheiten. Die sind sicherlich anstrengend, aber sobald man das leidige gemeinsame Abendessen, das obligatorische Telefonat mit seiner Liebsten hinter sich gebracht hat und dabei deren Standardfragen, wie „Was gab es denn zum Essen?“, „Hat der Trainer schon mit dir gesprochen?“, „Sitzt du oder liegst du, was hast du an?“, endlich beantwortet hat, kann man sich seiner Play-Station, dem Fernsehprogramm oder dem Kartenspiel vor zu großem Kaminfeuer widmen. Immer mit von der Partie San Miguel, Stella und Rioja.
Gegen Ende der Woche freut man sich schon auf den Alle-Jahre-wieder-Spruch des Übungsleiters: „Wir haben toll gearbeitet, alle haben voll mitgezogen.“ Als Belohnung gibt es dafür immer einen freien Nachmittag und eine Verlängerung des Zapfenstreichs bis 1 Uhr.
Man organisiert sich. Die einen fahren zum Shopping in die nächstgelegene Großstadt, andere ans Meer, und immer mehr spielen eine Runde Golf. Dieses trendy Fußballer-Hobby fügt sich nahtlos in die Reihe ein: Ich heirate die Mutter meines ersten Kindes, kleide mich in Armani oder Cavalli und kaufe mir einen besten Freund, einen Golden Retriever.
Gegen Abend trifft man sich in einem Nachtlokal oder eben in der Hotel-Bar. Hier kommt einem der Trainer, an sich eingefleischter Biertrinker, entgegen und schwärmt von seinem Getränk: „So ‘nen Tropfen bekommste in Deutschland nicht.“ Der Supermarkt in Poppenbüttel oder Norderstedt beweist das Gegenteil zum Preis von fünf Euro.
Gegen 2 Uhr nachts weist der neugeborene Weinkenner dann auf die Einhaltung des Zapfenstreichs hin und schickt die Mannschaft in die Betten. Es ist aber in diesem Moment weniger die Sorge um die Form seiner Schützlinge, die ihn zu diesem Befehl bewegt, als vielmehr die Furcht vor jüngerer Konkurrenz beim Balzen um die beiden schlüpfrigen Sängerinnen der vom Hotel gebuchten englischen Cover-Band. Noch das Abschlusstraining am nächsten und letzten Tag verletzungsfrei überstehen und dann völlig übermüdet den Rückflug antreten.
Trainingslager sind, falls sie nicht länger als zehn Tage dauern, also durchaus amüsant. Sie bieten für Jungs, denen ihr Talent eine Verlängerung der Kindheit ermöglicht hat, eine wunderbare Gelegenheit, ihre Lausbubengedanken fern der Heimat in die Tat umzusetzen.