: Nomadin wider Willen
Stationen im Leben der jüdischen Lyrikerin werden zurzeit in Münster ausgestellt. Parallel dazu fand eine Tagung über ihre Werke statt
VON LEONIE LYDORF
„Rose Ausländer wurde in extremster Weise geschichtlich geprägt“, sagt Helmut Braun. Braun, der sich selbst als „Wanderprediger für Rose Ausländer“ bezeichnet, war nicht nur 13 Jahrelang ihr Verleger, er wurde auch ihr Vertrauter und leitet heute die Rose-Ausländer-Stiftung. In Zusammenarbeit mit Klaus Hempel von der Akademie Franz- Hitze-Haus in Münster und der Universität Münster organisierte er zum zweiten Mal eine Tagung über das Leben und die Werke Ausländers. Eine Ausstellung über die jüdischen Dichterin ist noch bis zum 30. Januar zu sehen.
Rose Ausländer wird am 11. Mai 1901 als Rosalie Beatrice Scherzer in Czernowitz, das in der heutigen Ukraine liegt, geboren. Auf Drängen ihres Vaters besucht sie ein Wirtschaftsgymnasium und macht eine kaufmännische Ausbildung. „Sie war nie abhängig von einem Mann“, sagt Braun. Dieser „praktizierte Feminismus“, wie Braun ihn nennt, spiegelt sich auch in ihrem poetischen Werk wieder. Ausländer deutet mythische und antike Frauengestalten um. Bekannt ist zum Beispiel ihre Auseinandersetzung mit Eva, der sie die Rolle der Sünderin nimmt.
Rose Ausländer führte ein „erzwungenes Nomadenleben“, sagt Braun. Themen wie Fremdheit und Exil lassen sich in vielen ihrer Texte wieder finden. Als Fünfzehnjährige flüchtet sie mit ihrer Familie vor den Kriegswirren nach Wien. Nach Ende des Ersten Weltkriegs zieht sie zurück nach Czernowitz, emigriert aber bereits 1921 mit ihrem Freund und späterem Ehemann Ignaz Ausländer in die USA. Als der Gesundheitszustand ihrer Mutter sich 1931 verschlechtert, kehrt Ausländer zusammen mit Helios Hecht, ihrer großen Liebe, nach Czernowitz zurück. Zu Kriegsbeginn flüchtet sie zunächst nach New York, kehrt aber auf einen Hilferuf der Mutter zurück. Als 1941 die deutschen Truppen in Czernowitz einfallen, wird das alte Judenviertel der Stadt zum Ghetto. Rose Ausländer und ihre Familie entkommen den Deportationen. Nach der Befreiung 1944 durch die sowjetischen Truppen verlässt Rose Ausländer die Stadt. 1946 reist sie in die USA, wo sie bis 1964 lebt, aber fremd bleibt. Sie siedeltnach Wien über, in das ersehnte deutschsprachige Millieu. Als sich antisemitische Vorfälle häufen, entschließt sie sich 1965 nach Deutschland zu ziehen. In Düsseldorf trifft Ausländer auf überlebende Juden aus Czernowitz . Unterbrochen durch Reisen und Kuren lebt sie bis zu ihrem Tod am 3. Januar 1988 in Düsseldorf. Ihre letzten Jahre verbringt sie im Nelly-Sachs-Haus, dem Altenheim der jüdischen Gemeinde.
Ein Leben, geprägt von Wirren, vom Krieg – trotzdem sind Rose Ausländers Werke nicht anklagend. „Ihre Texte sind beschreibend und reflektierend“, sagt Helmut Braun. „Es ist mehr eine Verarbeitung persönlicher Erlebnisse.“ Sie habe schlechte Erfahrungen mit Politik gemacht. „Nazi-Regime, Stalin-Kommunismus, aber auch der Kapitalismus in den USA“, sagt Braun.
Martin Hainz, Universitätsassistent in Wien, erkennt in Ausländers Texten „Religions- und Mythenkritik und eine etwas naive Zivilisationskritik“. Das „naiv“ entschuldigt er durch „den Kulturschock Czernowitz – Wien“. Obwohl sie als jüdische Dichterin bekannt ist, war Rose Ausländer keine gläubige Jüdin. „Sie hatte eine eigene Religion“, sagt Braun, mit „jüdischen, christlichen und philosophischen Aspekten“. „Wichtig, war ihr das Spiel mit Worten“, sagt Martin Hainz, „das Offenbleiben.“