: Wenn Sparsamkeit bestraft wird
Am Dienstag verhandelt der Senat, wie das Restgeld verteilt wird, das in diesem Jahr noch ausgegeben werden darf. Der Europäische Stabilitätspakt verhindert, dass darüber hinausgehende Rücklagen angetastet werden dürfen
taz ■ So was frustriert den Sparsamen: Da legt man zurück als Vorsorge für schlechte Zeiten, – und dann kommt der Chef und sagt: Nö. Umsonst gespart. Du hast Rücklagen, schön, aber du darfst nicht dran. So ergeht es gegenwärtig verschiedenen Senatsressorts. Der Finanzsenator hat die Daumenschrauben angelegt. Das hat diesmal gar nicht so viel mit der ewig miesen Haushaltslage Bremens zu tun, sondern mit der ganzen Republik: Weil Deutschland beim Erfüllen seiner Pflichten zum Europäischen Stabilitätspakt derzeit ziemlich alt aussieht, hat der Finanzplanungsrat in Berlin im März vergangenen Jahres beschlossen, „dass bei der Gestaltung künftiger Haushalte für die Jahre 2003 und 2004 Länder und Gemeinden ihr jährliches Ausgabenwachstum auf ein Prozent begrenzen werden.“ Und die konsumtiven, also die laufenden Ausgaben auf ein halbes Prozent.
Der Haushalt für dieses Jahr steht längst. Für Konsumtives, haben die Haushälter errechnet, dürfen unter Einhaltung aller Sparvorgaben 2,71 Milliarden Euro ausgegeben werden. Nun wurde ausgerechnet, wie viel die Ressorts für die ersten drei Quartale, sprich bis September, bereits verplant haben, nämlich 2,68 Milliarden. Unterm Strich bleibt also ein Rest von 30 Millionen Euro, die noch zur Verfügung stehen.
Am kommenden Dienstag nun muss der Senat beschließen, welches Ressort wie viel von den 30 Millionen ausgeben darf. Die Ressorts brauchen nämlich insgesamt noch 65 Millionen für ihre laufenden konsumtiven Ausgaben. Ob sie dieses Geld haben – aus Rücklagen – oder nicht, spielt keine Rolle.
Der Wirtschaftssenator will noch 9,1 Millionen Euro ausgeben, die Bausenatorin 13,7 Millionen, Arbeit 9,3 Millionen. Spitzenreiter ist der Bereich „Soziales“, der allein noch einen Ausgaben-Bedarf von 16 Millionen Euro angemeldet hat. Er bekommt nach der Beschlussvorlage für den Senat gerade mal 1,2 Millionen Euro zugestanden. Dass das nicht reichen wird, ist allen klar, Sozialsenatorin Karin Röpke hat das in einer Senatssitzung im Februar bereits zu Protokoll gegeben.
Diese neue Vorgabe des Finanzplanungsrates macht die ganze Reform des Bremer Haushaltswesens absurd. Wer mit seinen Mitteln sparsam umgeht, gut plant und nicht alles ausgibt, sollte das Eingesparte behalten dürfen. Mehr Verantwortung und Eigenständigkeit war die Devise, „dezentrale Haushaltsführung“ das Fachwort. Früher, zu Zeiten der „kameralistischen Haushaltsführung“, war es so gewesen, dass der Finanzsenator am Ende des Jahres alles einkassierte, was nicht ausgegeben war. Das führte zu einer Ausgabenwut insbesondere gegen Ende des Jahres. Mehr Motivation und unterm Strich effektivere Ausgabensteuerung sollte das neue System bringen. Trotz aller Klagen über die knappen Haushaltsmittel haben die Ressorts nun insgesamt Rücklagen von 107 Millionen Euro gebildet – und dürfen sie nicht mehr nach eigenen Bedürfnissen ausgeben.
Frustrierend finden das die Haushälter in den Ressorts, auch wenn sie im Blick auf Brüssel betonen, es gebe ja keine andere Möglichkeit. „Das ist im Endeffekt nichts anderes als eine Ausgabensperre“, sagt einer, „das nennt sich nur raffinierter.“
Frustrierend ist die Ausgaben-Deckelung auch, wenn ein Ressort Mehreinnahmen erwirtschaften will und dafür „investieren“ muss. Beispiel: Das Innenressort kontrolliert Falschparker und Fahrradfahrer stärker, um mehr Einnahmen zu bekommen. Warum sollte das Ressort mehr Politessen einstellen, wenn es den erhofften Überschuss am Ende nicht ausgeben darf? Dasselbe gilt für Drittmittel, für Geld, das der Bund oder die EU dazugibt, wenn Bremen seinerseits etwas finanziert: Warum sollte man solche Töpfe anzapfen und vielleicht clever Mittel einwerben, wenn am Schluss der Senat sagt: Ausgeben ist nicht.
Was die Verteilung der 30 Millionen am Dienstag konkret bedeutet, wird in den Ressorts noch ausgetüftelt. So kann das Sozialressort an der Sozialhilfe nicht sparen – das sind Leistungen, die zu zahlen es per Gesetz verpflichtet ist. Im Ressort befürchtet man, dass bei den so genannten „aktivierenden Fallmanagern“ in den Sozialzentren gespart werden muss, das sind die Hoffnungsträger für das SPD-Konzept „Fördern und Fordern“, die möglichst viele Sozialhilfeempfänger durch fallspezifische Betreuung in Arbeit bringen sollen. Susanne Gieffers