: Was der Kanzler ändern will
Bei keinem Thema braucht die Regierung die Zustimmung der Opposition so nötig wie bei der Gesundheitsreform. Also wechselte Schröder gestern zu diesem Stichpunkt, dem „wichtigsten, auch notwendigsten Teil der innenpolitischen Erneuerung“, in den Verhandlungsmodus. Er fand „ernsthafte Debatten“ lohnend und die Argumente der Union nicht „für alle Zeiten indiskutabel“.
Eine Lieblingsidee der Union griff der Kanzler auf, als er forderte: „Wir sollten Instrumente wie differenzierte Praxisgebühr und Selbstbehalte nutzen.“ Beides hält er für tauglich, „Eigenverantwortung zu stärken“, sprich: Menschen vom Arzt fern zu halten. Arme, Kinder und chronisch Kranke ausgenommen, wird demnach eine Eintrittsgebühr beim Arzt gefordert. „Selbstbehalte“ sind die Anteile der Behandlungskosten, die von Patienten direkt bezahlt werden.
Eine schlichte Maßnahme zur Senkung der Kassenbeiträge um etwa 0,7 oder 0,8 Prozentpunkte ist die Ausgliederung des Krankengelds aus dem Leistungskatalog der Kassen. Dies schlug Schröder gestern vor, ohne sich wirklich festzulegen, wobei er sich deutlicher gegen eine Streichung von privaten Unfällen und Zahnersatz aus dem Kassenkatalog aussprach. Eine Privatisierung des Krankengeldes, bislang maximal 90 Prozent des Nettolohns, sähe ungefähr so aus: Die 40 Prozent der Lohnabhängigen müssten sich gegen das Risiko, länger als sechs Wochen krank zu sein, privat versichern. Gerechnet wird hier in Koalitionskreisen mit einer Prämie von 10 bis 15 Euro im Monat, wobei die Ausgestaltung den Versicherungen überlassen bliebe. Für die Versicherten stehen unterm Strich weniger Leistungen für mehr Geld, denn die solidarische Umlage und der Beitrag der Arbeitgeber entfallen ja.
Der Kanzler möchte zur Entlastung der Arbeitgeber die Kassenbeiträge jedoch weiter senken, als dies nur mit einer Privatisierung des Krankengelds ginge. Er will „unter 13 Prozent“ landen. Offenbar verspricht er sich von den Strukturreformen der Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) noch erkleckliche Einsparungen. Hierzu nannte Schröder gestern vor allem die Beseitigung „kostentreibender Monopolstrukturen“, sprich: die Teilentmachtung der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV). Die Kassen sollen nicht mehr nur mit den KVen, sondern mit einzelnen Ärzten Verträge abschließen können.
Ein Stichwort fiel gestern nicht: „Parität“, der Begriff für die hälftige Finanzierung der Beiträge durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Wer will, kann dies als Bekenntnis werten: zur Abkehr von einer 120-jährigen Krankenversicherungstradition.
ULRIKE WINKELMANN