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Archiv-Artikel

Hoffnung für Motassadeq

Bundesgerichtshof dürfte Urteil wegen 11.-September-Mittäterschaft bald aufheben

KARLSRUHE taz ■ Der vermeintliche Terrorhelfer Mounier al-Motassadeq kann auf seine baldige Freilassung hoffen. Gestern verhandelte der Bundesgerichtshof über seinen Revisionsantrag, und die Richter deuteten an, dass er wohl Erfolg haben wird.

Der 29-jährige Marokkaner war im Februar 2003 vom Hamburger Oberlandesgericht (OLG) zu einer 15-jährigen Haftstrafe verurteilt worden. Ihm wurden Beihilfe zum Mord in 3.066 Fällen und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Er soll als Mitglied der Hamburger Islamistenzelle um Mohammed Atta die Anschläge von New York und Washington mit ermöglicht haben, indem er durch kleinere Dienste, wie Geldüberweisungen, die Abwesenheit von Gruppenmitgliedern verschleierte.

Seine Verteidiger halten dieses Urteil jedoch für fehlerhaft, weil der von den USA inhaftierte Mittäter Ramzi Binalshibh dem Gericht nicht zur Verfügung stand. Die USA hatten dessen Vernehmung damals ohne Begründung abgelehnt. Erst im jetzt kurz vor dem Abschluss stehenden Hamburger Parallelprozess gegen Abdelghani Mzoudi war bekannt geworden, dass Binalshibh die angeblichen Mitwisser Motassadeq und Mzoudi entlastet.

„Es gibt in diesem Verfahren keinen wichtigeren Zeugen als Ramzi Binalshibh“, betonte Verteidiger Josef Gräßle-Münscher. Das Hamburger Gericht hätte sich mit der Absage der USA nicht so einfach zufrieden geben dürfen. „Die USA haben gegen mehrere völkerrechtliche Verträge zur strafrechtlichen Zusammenarbeit verstoßen“, erklärte der Anwalt, „das Gericht hätte die Bundesregierung deshalb auffordern sollen, die USA beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu verklagen.“ Und wenn auch das nicht geholfen hätte? „Dann hätte das Gericht mit der Einstellung des Verfahrens drohen müssen.“

Demgegenüber verteidigte Bundesanwalt Rolf Hannig das Hamburger Urteil. „Wenn sich etwa ein naher Verwandter auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft, muss ein Gericht das auch akzeptieren.“ Wie bei einem Puzzle komme es dann darauf an, ob die restlichen Puzzlestücke bereits ein hinreichend klares Bild bieten. In Hamburg sei das der Fall gewesen.

Der Vorsitzende Richter Klaus Tolksdorf ließ aber durchblicken, dass er eine „Kompensation“ für nötig hält, wenn ein möglicher Entlastungszeuge nicht erreichbar ist. Dann müssten, so Tolksdorf, wohl die übrigen Beweise umso überzeugender sein. Der BGH will am 4. März sein Urteil verkünden. Dabei ist mit einer Aufhebung des Hamburger Urteils zu rechnen, weil das OLG anders, als Tolksdorf verlangt, keine erhöhten Anforderungen an die Beweise gestellt hat.

Das Verfahren gegen Mounir al-Motassadeq müsste dann wiederholt werden und würde angesichts der dünnen Indizienkette vermutlich mit einem Freispruch enden. In einem neuen Verfahren könnten außerdem auch die jüngsten Erkenntnisse über Ramzi Binalshibhs Aussagen verwendet werden.

CHRISTIAN RATH