: Schlecht beraten bei der Bahn
Hundert Tage neues Preissystem: Ein Drittel der Reiseverbindungen zu teuer, zu lang oder zu unbequem. Der Verkehrsclub Deutschland fordert einfachere Tarife und alte Bahncard zurück. Bahnchef Hartmut Mehdorn kündigt Qualitätsprogramm an
von MIRIAM EWALD
Das vor drei Monaten eingeführte und seither heftig umstrittene Preissystem der Deutschen Bahn hat nach Angaben des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) die Erwartungen bisher nicht erfüllt. Fast jeder dritte Kunde bekommt am Schalter nicht die optimale Fahrkarte: Die Reiseverbindungen sind entweder zu teuer, zu lang oder wären auch mit weniger Umstiegen möglich.
Bahnchef Hartmut Mehdorn sagte in einem Interview mit dem Stern: „Ganz klar, wenn dreißig Prozent der Testkunden falsch beraten wurden, ist das nicht akzeptabel.“ Um die Mängel zu beseitigen, will die Bahn noch in diesem Jahr ein neues Qualitätsprogramm starten, das „den gesamten Prozess der Leistungserstellung detailliert durchleuchtet, Fehler sofort anzeigt und die Verantwortlichen benennt“, kündigte Mehdorn an.
Das ist mit Blick auf die Ergebnisse des Preissystem-Checks auch dringend nötig: In den schlechtesten Fällen bekamen die Testkunden Reiseverbindungen, die 60 Euro zu teuer waren, sieben Umstiege zu viel enthielten oder drei Studen zu lange dauerten.
Vergleichsgröße ist die so genannte „bestmögliche Verbindung“, die Preis, Reisedauer und Anzahl der Umstiege berücksichtigt. Das Ergebnis langwieriger Herumtüftelei ist die optimale Fahrkarte aber nicht: „Wir haben lediglich die DB-Komfort-CD genutzt“, erläutert Annette Volkens, Verkehrsreferentin des VCD.
Trotz des schlechten Ergebnisses fühlten sich die Testkunden am Schalter kompetent und freundlich beraten und gaben dem Personal im Durchschnitt die Schulnote „gut“. „Dieser Widerspruch zeigt, dass der Fehler im System liegt“, sagte VCD-Bundesgeschäftsführer René Waßmer. Deshalb müsse das Bahn-Management aus der Defensive kommen und das Preissystem genauso einfach machen, wie es die Werbebotschaften versprechen.
Für den Bahn-Test hat das Qualitätsforschungsinstitut Quotas deutschlandweit die Beratungsleistung in 250 DB-Reisecentern getestet und zusätzlich etwa 250 Bahnkunden befragt. Unter die Lupe genommen wurden vor allem die Plan-&-Spar-Tarife: „In 98 Prozent der Fälle waren die Frühbucherplätze bei Nachfrage am Schalter noch verfügbar. Gleichzeitig gaben nur 24 Prozent der befragten Reisenden an, mit Plan & Spar unterwegs zu sein“, so Annette Volkens. Daran würde deutlich, dass „viele Leute flexibel reisen wollen und dafür attraktive Angebote fehlen“.
Der VCD forderte die Deutsche Bahn AG auf, die komplizierten Bedingungen für die Plan-&-Spar-Tarife zu vereinfachen, die hohen Stornogebühren zu senken und ab sofort wieder eine Bahncard mit 50 Prozent Rabatt anzubieten. Nur so könne die Deutsche Bahn AG verhindern, dass vor allem auf den Strecken bis zu 200 Kilometern immer mehr Fahrgäste auf das Auto umsteigen. Um nicht noch mehr Bahnfahrer zu verschrecken, müsse schnellstens die Angebotslücke geschlossen werden, die durch den Wegfall des preisgünstigen Interregio entstanden sei.