Der Krieg der Experten

In den Medien beherrschen armeefreundliche Exmilitärs das Feld der Wissensvermittlung. Aber die linken und liberalen Kreise, die das jetzt beklagen, sollten vorsichtig sein: Sie haben selbst Schuld

von STIG FÖRSTER

Nun ist es also wieder einmal so weit: Ein neuer Krieg wird die internationale Medienlandschaft aufwühlen. Was sich die Bush-Administration und ihre „Koalition der Willigen“ dabei denken, um jeden Preis, noch dazu unter Bruch des Völkerrechts, über den Irak herzufallen, ist nach wie vor unklar und umstritten. Welchen Verlauf dieser Krieg nehmen wird, wie viele Opfer er fordern wird und welches seine Folgen sein werden – all dies sind gänzlich offene Fragen.

Schon Clausewitz hat ja mehrfach betont, dass ein Kriegsverlauf nicht im Vorhinein berechenbar ist. Krieg ist eine viel zu komplexe Angelegenheit, als dass man die Wechselwirkungen aller ihn beeinflussenden Elemente schon im Vorfeld genau genug einschätzen könnte, um präzise Voraussagen zu wagen. Es ist also äußerste Vorsicht angesagt, wenn es darum geht, die Lage zu Beginn eines Krieges zu beurteilen.

Unter diesen Umständen kann es nicht verwundern, dass sich viele Journalisten trotz ihrer Berufserfahrung überfordert fühlen, wenn sie die politisch-militärischen Vorgänge kommentieren sollen, die mit Kriegen verbunden sind. In einer solchen Situation wird gern auf Hilfe von außen zurückgegriffen. Das ist dann die große Stunde der Experten. Wissenschaftler, Sicherheitsexperten, pensionierte Militärs und Spezialisten für die betroffenen Regionen der Welt ergreifen in allen Medien das Wort, um erklärend einzuspringen und einer verunsicherten Öffentlichkeit die Angst vor der Ungewissheit zu nehmen.

Natürlich ist nichts dagegen einzuwenden, Kenner der Materie für das Publikum zu befragen. Das Informationsbedürfnis ist in solchen Zeiten schließlich besonders groß. Zudem haben die wenigsten Normalbürgerinnen und Normalbürger die Gelegenheit, direkt Auskunft bei Professoren, Generälen und sonstigen Experten einzuholen. Da ist es einfach interessant, deren jeweilige Meinungen und Kommentare den Medien zu entnehmen. Auch die Experten selbst nehmen selbstverständlich zur Kenntnis, was ihre Kolleginnen und Kollegen zu diesem oder jenem Thema zu sagen haben.

Und doch sind gerade diese Expertenmeinungen mit äußerster Vorsicht zu genießen. So fällt auf, mit welcher Selbstsicherheit und Bestimmtheit vielfach Ansichten vertreten werden. Da rechnet etwa ein pensionierter Viersternegeneral dem Fernsehpublikum schon jetzt vor, wie hoch die Verlustzahlen unter der irakischen Zivilbevölkerung sein werden. Ein Sicherheitsexperte weiß schon im Voraus, dass die irakische Armee zu demoralisiert ist, um zu kämpfen. Allerorten wird mit detaillierten Szenarien über den zu erwartenden Kriegsverlauf hantiert. Manche Spezialisten wissen bereits, in wie vielen Tagen nach Kriegsbeginn Basra fallen und dass dies ohne nennenswerte Kampfhandlungen abgehen wird. Einige Nahostexperten entwerfen mit sicherer Stimme eine mehr oder weniger detaillierte Skizze der Nachkriegsordnung.

Viel zu selten sieht, hört oder liest man Zweifel. Viele Experten scheinen zu glauben, ihr überlegenes Wissen durch möglichst standfeste und widerspruchsfreie Statements unter Beweis stellen zu müssen. Dabei verlassen sie aber allzu häufig den Boden der Seriosität. Denn, wie bereits festgestellt, ein Krieg lässt sich nicht mit absoluter Sicherheit im Vorhinein berechnen. Gerade dies ist einer der besonders beunruhigenden Aspekte kriegerischer Vorgänge.

Doch viele der in Kriegszeiten zu Wort kommenden Experten scheinen es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, die Wogen zu glätten und dem Publikum Mut zusprechen zu wollen. Besonders pensionierte Militärs neigen dazu, die Ansicht zu vertreten, es sei alles unter Kontrolle. Das ist es natürlich nicht, denn jeder Krieg stellt einen Sprung ins Dunkle dar. Der professionelle Glaube an die Machbarkeit bricht sich dennoch immer wieder Bahn. Ob beabsichtigt oder nicht laufen derartige Expertenmeinungen allerdings darauf hinaus, das Ausmaß der drohenden Gefahren herunterzuspielen und damit den Krieg zu verharmlosen.

Wie kommt es aber, dass in militärischen Fragen mit Vorliebe auf Experten zurückgegriffen wird, die einem kriegerischem Vorgehen häufig allenfalls mit gemäßigter Kritik gegenüberstehen? Ein Grund dafür ist sicherlich in der seit Jahrzehnten nicht nur in Deutschland bestehenden Abneigung linker und liberaler Kreise gegenüber allem Militärischen zu suchen.

Von Ausnahmen abgesehen, haben sich allzu lange Zeit nur wenige kritische Geister ernsthaft mit Militär- und Sicherheitsfragen beschäftigt. Diejenigen, die es taten, wurden immer wieder mit Misstrauen beäugt. Auch heute noch stehen etwa Militärhistoriker und Militärhistorikerinnen (Letztere gibt es in zunehmender Zahl!) unter dem Verdacht, heimliche Waffennarren zu sein und im stillen Kämmerlein mit Plastikpanzern zu spielen.

Dabei wächst seit einigen Jahren eine neue Generation heran, die sich auf Militärgeschichte spezialisiert. Vielleicht wäre es gut, diese Leute in Zukunft etwas ernster zu nehmen und vielleicht auch ihnen einmal zuzuhören. Wie es aussieht, treten wir in eine Epoche ein, in der der Krieg nicht seltener werden wird. Es wäre vielleicht angebracht, sich mit diesem Trend intensiver auseinander zu setzen.

Stig Förster ist Professor für Neueste Allgemeine Geschichte in Bern