Banguis „Diebe und Plünderer“

Wachsendes Chaos in der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik. Putschist Bozizé holt aus Angst vor Angriffen aus dem Kongo Verstärkung aus Tschad

BERLIN taz ■ „Sie kamen gegen halb elf Uhr abends, also während der Ausgangssperre. Es waren zehn in voller Kampfmontur, gut bewaffnet und begleitet von zwei Zivilisten, die als Führer dienten. Sie weckten uns auf und bedienten sich. Radio, Kleidung, Schuhe, Telefone, Motorrad, Computer und sogar Bilder von der Wand verschwanden in ihren Geländewagen“: So schildert ein Bewohner von Bangui, Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik, in einem an die taz geschickten Augenzeugenbericht seine Erlebnisse seit dem Putsch des Rebellenführers François Bozizé am vergangenen Samstag. Die neuen Machthaber gehen demnach nachts von Haus zu Haus und stehlen, was sie wollen. Journalisten berichten von Leichen auf den Straßen, 17 Tote werden bislang gezählt.

Die Bevölkerung Banguis hatte den Einmarsch der Rebellen am Samstag zunächst freudig begrüßt. Sie plünderte stundenlang Residenzen geflohener Politiker des gestürzten Regimes von Präsident Ange-Felix Patassé. Aber am Montag kündigte der neue Machthaber einen Feldzug an: „Es wird groß angelegte Durchsuchungen geben, um alle Diebe und Plünderer sowie ihre Hehler zu entlarven“, erklärte Bozizé. „Jede Person, die unrechtmäßig ein Auto oder andere Güter besitzt, die den reibungslosen Ablauf der öffentlichen Dienste behindern könnten, ist gebeten, es schnellstmöglich an einem öffentlichen Ort ihrer Wahl zurückzugeben.“

Das öffnete Übergriffen und Diebstählen Tür und Tor. Viele Ministerialgebäude, Staatsunternehmen und Geschäfte sind verwüstet oder geschlossen. Die neue Regierung weist jede Verantwortung von sich: Angehörige der früheren Präsidialgarde und Patassé-treue Kongolesen seien für das Chaos verantwortlich, hieß es am Mittwoch. Dies ist ein Eingeständnis, dass Bozizé Bangui nicht unter Kontrolle hat.

Die zentralafrikanische Hauptstadt liegt direkt am Ubangi-Fluss, der die Grenze zur Demokratischen Rpublik Kongo bildet; auf dem anderen Flussufer herrscht die kongolesische Rebellenbewegung MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung), deren Soldaten bis Mitte März für Patassé kämpften. Es besteht die Sorge, dass die MLC versucht, Bangui zurückzuerobern – die MLC ihrerseits fürchtet, dass die Armee von Kongos Präsident Joseph Kabila sich dort installiert.

Außerdem fragen sich Bozizés Anhänger – zu denen zahlreiche Demokraten aus der Opposition gegen Patassé gehören – was Patassés einstiger Anti-Terror-Berater Paul Barril, ein pensionierter französischer Söldnerführer, jetzt macht. Eine Mutmaßung: Er könnte Söldner aus Angola und Südafrika anwerben, um Patassé zurück an die Maht zu bringen.

Um sich abzusichern, begibt sich Bozizé unter die Fittiche der regionalen Alliierten Frankreichs und der USA. 100 Soldaten aus dem Tschad landeten am Mittwoch in Bangui, um die Friedenstruppe der Zentralafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (CEMAC) zu verstärken; bislang sind 310 Soldaten aus Gabun, Kongo-Brazzaville und Äquatorialguinea in Bangui stationiert. Tschads Regierung sagte, man wolle „Destabilisierungsversuchen“ aus dem Kongo entgegenwirken. Zuvor hatten die Außenminister Kongo-Brazzavilles und Gabuns Bozizé besucht.

Auch 300 Soldaten aus Frankreich stehen seit dieser Woche auf dem Flughafen Banguis. Sie sollen eigentlich 400 weiße Ausländer evakuieren. Anhänger des gestürzten Patassé sehen in ihnen hingegen eine Schutztruppe für Bozizé. DOMINIC JOHNSON