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h.g. hollein Musenkuss

Die Frau, mit der ich lebe, wirft bisweilen nicht allzu viel ab. Es gibt Tage, da liegt die Gefährtin lediglich bettlings in ihre Decke gemummelt und lässt nur ihre Nasenspitze ins Leben ragen. Da bedürfte es schon einer Pointilistik Proust‘schen Zuschnitts, um ein Stillleben von derart subtiler Dramatik zu 50 Zeilen adäquater Prosa gerinnen zu lassen. Angeblich ist es ja so, dass irgendwann die Muse kommt und den Autor küsst. Bei mir nicht. Im Gegenteil. Ich kann mich nicht erinnern, irgendwo gelesen zu haben, dass es Sache des Autors ist, von seinem leeren Bildschirm ans Lager der Muse zu trotten, um selbige erst mal wachzurütteln und aufzufordern: „Mach mal was Skurriles, Samstag ist wieder ‘ne Kolumne fällig.“ Immerhin fliegt mir dann das eine oder andere an den Kopf, aber das ist nun wieder nicht so singulär, dass es sonderlicher Erwähnung in den Annalen der Gefährtin wert wäre. So bohre ich denn auf der Suche nach Inspiration weiter hirnwärts in der Nase, was wiederum die Gefährtin nicht eben appetitlich findet. Also blicke ich lieber hinaus aufs romantische Kopfsteinpflaster, wo allmorgendlich gegen elf eine vertraute Gestalt vom Bill-Eck bierselig heimwärts zu wanken pflegt, um exakt auf Höhe unseres Schlafzimmerfensters ebenso unvermittelt wie offenbar unvermeidlich „Ruhäää!“ zu brüllen und weiter seines Weges zu ziehen. Wenigstens einer, der weiß, was er will. Die Gefährtin hat sich mittlerweile brummend auf die andere Seite gewälzt und gibt immer noch nichts her. Was soll‘s. Hat doch auch Proust das Nichts zu sieben Bänden aufgeblasen. Da kommt also noch einiges auf die geschätzten Leser zu.

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