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Archiv-Artikel

Schneewittchen als Indiens Schönheitsideal

Kosmetika zur Hautaufhellung finden bei indischen Frauen reißenden Absatz. Regierung verbietet die Werbung dafür

DELHI taz ■ Eine junge schöne Frau hört ein Gespräch ihrer Eltern mit, in dem sie über ihr Schicksal klagen, eine dunkelhäutige Tochter zu haben. Diese wird depressiv, bis ihr eine Freundin „Fair & Lovely“-Hautcreme empfiehlt. Ihr Aussehen wird heller, sie gewinnt Selbstvertrauen zurück und bekommt eine Stelle als Airline-Hostess. In der letzten Szene sitzt sie mit ihren Eltern in einem modernen Café. Alle sind glücklich.

Doch kürzlich hat Indiens Regierung TV-Spots wie diese „Fair & Lovely“-Werbung verboten. Frauengruppen hatten protestiert, weil die Propagierung eines hellhäutigen Schönheitsideals „eine entwürdigende Wirkung“ habe. Dabei ist Schneewittchen als Schönheitsideal auch in Indien keine Erfindung der Werbung.

Der Hellhäutigkeitskult zeigt archaisches Kastendenken und symbolisiert Modernität. Die Heiratsanzeigen in den Sonntagszeitungen verlangen für eine Braut Kastenzugehörigkeit, gute Erziehung, Häuslichkeit und Schönheit. Das Kriterium dafür ist immer noch weiße Haut, auch wenn das Wort „white“ mit seinem rassistischen Unterton durch „wheatish“ (weizenfarben) ersetzt wird. Indische Menschen weisen eine ganze Palette von Hauttönen von hell bis tiefdunkel auf, die meisten haben aber einen mehr oder weniger ausgeprägten Braun-Teint.

Dieser mag in Inseraten durch allerlei schöne Worte umschrieben werden (von bronzen über honigfarben bis „ebony“). Doch eine Mutter, die eine Schwiegertochter sucht, wird diese Bezeichnungen kurzerhand als Variationen von schwarz interpretieren. Und „Kala“ ist mit seinen Assoziationen von körperlicher Arbeit und Urbevölkerung ein abfälliges Wort, so schwarz die Haut des Liebesgottes Krishna auch sein mag, der als Kuhhirt ständig der Sonne ausgesetzt ist.

Wer eine Bollywood-Karriere anstrebt, muss hellhäutig sein. Während der männliche Filmstar mit einem männlich-starken Braunton davonkommt, ist die Filmindustrie bei Frauen gnadenlos. Die indischen Erfolge in den internationalen Schönheitskonkurrenzen haben diese Rollenbilder gefestigt, und in der TV-Werbung sind sie selbstverständlich. Vom Kleinkind, das Milchpulver schleckt, über das sexy Model, das aus einem Sportwagen steigt, bis zur grauhaarigen Oma, die für eine Lebensversicherung wirbt – sie alle sind hellhäutig. Und nirgends sind sie es mehr als in Spots für Cremes zur Hautaufhellung. Über 30 Marken kämpfen um einen Markt von rund 200 Millioen Euro. Sie heissen Fair & Lovely, Fair Glow, Fairever, Beauty Snow oder Love A’fair.

Marktführer ist immer noch Fair & Lovely von Unilever. Der Konzern gibt für die Werbung für dieses Produkt allein – sei es in Form einer Creme, Lotion oder Seife – rund 20 Millionen Euro aus. Dabei belastet nicht nur die Konkurrenz das Werbebudget. Immer wieder müssen kritische Berichte gekontert werden, die Dermatologen zitieren, die der Tünche jede dauerhafte Pigmentveränderung absprechen oder den Vorwurf chemischer Bleichmittel erheben. Trotz des Verbots besonders krasser Werbespots müssen sich die Kosmetikfirmen nicht sorgen. Laut Marktforschung ist für die meisten Konsumentinnen Hellhäutigkeit das wichtigste Schönheitskriterium. BERNARD IMHASLY