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Archiv-Artikel

Schwulem Iraner droht die Abschiebung

Verwaltungsrichter erkennen die Homosexualität eines in Köln lebenden Iraners als Asylgrund an. Doch der zuständige Bundesbeauftragte lässt das nicht gelten und empfiehlt, sich nach der Zwangsrückkehr „unauffällig“ zu verhalten

KÖLN taz ■ „Ich liebe Köln“, sagt Hossein Heidarzadeh und strahlt dabei über das ganze Gesicht. Dabei ist ihm derzeit gar nicht zum Lachen zu Mute. Im Gegenteil: Hossein Heidarzadeh kann nachts nicht mehr schlafen und hat Angstträume. Am kommenden Mittwoch entscheidet nämlich das Sächsische Oberverwaltungsgericht in Bautzen über seinen Asylantrag. Sollte das Gericht gegen ihn entscheiden, droht dem schwulen Iraner bei der Rückkehr in sein Heimatland die Todesstrafe.

Der heute 39-Jährige arbeitete bis zu seiner Flucht im Juli 1996 elf Jahre bei der staatlichen Telefongesellschaft. In den letzten sechs Monaten war er in der Abhör-Abteilung tätig. Da der zweifache Familienvater sich innerlich längst vom herrschenden Regime abgewandt hatte, warnte er aus einer Telefonzelle mehrere Menschen vor den gegen sie laufenden Abhörmaßnahmen.

Die Geheimpolizei bekam schnell Wind von der Sache. „Da habe ich Angst bekommen und bin am nächsten Tag nicht mehr zur Arbeit gegangen“, erzählt Heidarzadeh. Er tauchte bei einem Freund unter. Ein Fluchthelfer besorgte ihm und seiner Familie schließlich für umgerechnet rund 3000 Euro Pässe und ein gefälschtes Visum für Deutschland.

Am 15. Juli 1996 landete Heidarzadeh mit seiner Frau und den beiden Kindern auf dem Frankfurter Flughafen. Am nächsten Tag stellten sie beim Bundesamt für die Anerkennung ausländische Flüchtlinge in Köln einen Asylantrag. Die vierköpfige Familie musste in ein Asylbewerberheim ins ostdeutsche Plauen. Im Oktober 1996 lehnte das Bundesamt den Asylantrag ab, da es „erhebliche Zweifel am Fluchtweg“ gebe und der Sachverhalt „frei erfunden“ sei. Es handele sich um ein „stereotypisches Vorbringen vieler iranischer Asylbewerber“, so die Behörde.

Gegen diese Entscheidung klagte Heidarzadeh vor dem Verwaltungsgericht Chemnitz. Doch auch hier werteten die Richter im Jahr 2000 seine Schilderungen als „offenbar frei erfunden“. Aber als zusätzlichen Grund für seine Flucht gab Heidarzadeh nun vor Gericht an, dass er homosexuell und im Iran daher einer politischen Verfolgung ausgesetzt sei. Auf Druck seiner Familie habe er mit 22 Jahren heiraten müssen: „Meine Familie ist streng religiös“, erklärt Heidarzadeh die gesellschaftlichen Zwänge im Iran. Dabei ahnte er schon mit neun Jahren, das er schwul sei. Jahrelang hatte er sehr enge Freundschaften – aber alle nur im Verborgenen.

Als er 1999 mit seiner Familie in ein Asylbewerberheim nach Köln ziehen konnte, lernte Heidarzadeh erstmals in seinem Leben eine „offene Atmosphäre“ kennen. Er hatte sein Coming out als Schwuler. Im Juni 1999 nahm er Kontakt zur iranischen Schwulen- und Lesbengruppe „Homan“ auf und lernte weitere Schwulengruppen kennen. Zuvor vertraute er sich nach jahrelangem Versteckspiel auch seiner Frau an. „Sie war erst sehr schockiert“, berichtet Heidarzadeh, habe ihm dann aber geholfen. Seitdem lebt das Paar allerdings getrennt und in Scheidung. Die Familie im Iran hat Hossein verstoßen und drohte sogar ihn anzuzeigen, sollte er in den Iran zurückkehren.

Die Chemnitzer Verwaltungsrichter sahen daher in ihrem Urteil vom 15. November 2000 auch für Hossein Heidarzadeh die Voraussetzungen für eine Asylanerkennung erfüllt, da „eine unumkehrbare Festlegung auf eine homosexuelle Triebbefriedigung vorliegt“. Mit „beachtlicher Wahrscheinlichkeit“ hätte Heidarzadeh mit einer Bestrafung im Iran zu rechnen. Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten in Zirndorf sieht dies jedoch ganz anders und legte beim sächsischen Oberverwaltungsgericht (OVG) Berufung ein. Heidarzadeh habe früher im Iran wegen seines Schwulseins keine „einschlägigen Schwierigkeiten“ bekommen. Heidarzadeh könne sich nach seiner Rückkehr ja wieder entsprechend „unauffällig“ verhalten.

Claus-Ulrich Prölß vom Kölner Flüchtlingsrat räumt Heidarzadeh vor dem OVG gute Chancen ein, dass „mindestens seine Homosexualität“ ein Abschiebehindernis sei. Im Jahre 2001 hatte selbst das Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Homosexualität eines Antragsstellers als lebensgefährlich eingestuft. Es sei „nicht verantwortbar, den Antragssteller in den Iran zurück zu schicken“, heißt es in dem Bescheid. Auch Hossein Heidarzadeh will nicht mehr zurück: „Köln ist für mich viel Glück.“

Thomas Spolert