Nicht nur Asien droht die Supergrippe

Die Weltgesundheitsorganisation befürchtet, dass die Geflügelpest jetzt erstmals von Mensch zu Mensch übertragen wurde – und so ein gefährlicher neuer Erreger entstehen könnte. Mittlerweile wappnet sich auch Deutschland gegen die Gefahren

AUS BANGKOK NICOLA GLASS

In Vietnam gibt es möglicherweise den ersten Fall einer Übertragung der Vogelgrippe von Mensch zu Mensch. Das erklärte gestern die Weltgesundheitsorganisation WHO. Die Übertragung des H5N1-Erregers zwischen Menschen sei eine mögliche Erklärung für den Tod von zwei Schwestern, sagte WHO-Sprecher Bob Dietz in Hanoi.

Beide Frauen, die am 28. Januar gestorben waren, seien mit dem Vogelgrippe-Virus infiziert gewesen. Vermutlich hätten sich die beiden 23 und 30 Jahre alten Vietnamesinnen bei ihrem Bruder angesteckt, der an einer Atemwegserkrankung starb. Allerdings sei die Infektionsquelle noch nicht mit letzter Sicherheit bestätigt. Sollte sich hierbei eine mögliche Infektion des H5N1-Virus zwischen Menschen tatsächlich bewahrheiten, wäre dies der erste bekannt gewordene Fall seit dem Ausbruch der Seuche.

Die Geflügelpest herrscht mittlerweile in zehn Ländern Asiens. Die WHO hatte bereits mehrfach vor einem solchen Szenario gewarnt: Sobald ein Mensch nicht nur den Vogelgrippe-Erreger, sondern gleichzeitig auch menschliche Grippeviren in sich trage, bestehe die Gefahr einer Mutation – und eines neuen Erregers, der von Mensch zu Mensch übertragen werden könne, so die Organisation.

Angesichts der sich so rasant ausbreitenden Vogelgrippe drängten Experten nicht allein das Riesenreich China zu raschem Vorgehen gegen die Seuche. „Es steht uns nur noch ein kleines Fenster an Möglichkeiten offen, diese Bedrohung abzuwehren“, sagte beispielsweise der Chef der Welternährungsorganisation (FAO), Jacques Diouf. Laut Medienberichten bereiten sich auch deutsche Behörden mit einem Notfallplan auf den Ausbruch einer möglichen „Supergrippe“ vor. Denn eine Grippeimpfung mit bereits vorhandenen Wirkstoffen könne das Risiko einer Kreuzung minimieren, so Tropenmediziner gestern.

Unterdessen griff die Geflügelpest auch in Vietnam und Thailand weiter um sich. Nach Angaben der vietnamesischen Behörden sind mittlerweile fast zwei Drittel der Provinzen von der Vogelgrippe verseucht. Mindestens acht Menschen starben dort bisher am H5N1-Virus, in den Krankenhäusern gibt es aber noch mehrere dutzend Verdachtsfälle. Die thailändischen Behörden meldeten am Wochenende, dass mittlerweile mindestens 36 von insgesamt 76 Provinzen betroffen sind, darunter auch ein Teil des touristisch attraktiven Südens. Zudem gebe es drei neue Verdachtsfälle bei Menschen. Insgesamt beläuft sich die Zahl der vermutlich mit dem H5N1-Erreger Infizierten auf vierzehn. Zwei sechsjährige Jungen sind bereits an der Seuche gestorben, mindestens fünf weitere Todesfälle werden ebenfalls dem Vogelgrippe-Virus zugeschrieben.

Die Umsätze auf dem thailändischen Geflügelmarkt sind derweil um bis zu 80 Prozent eingebrochen. Die Regierung hofft indes, die Vogelgrippe in etwa zwei Monaten völlig eingedämmt zu haben. Rund 18 Millionen Stück Geflügel wurden bisher geschlachtet. Um die zaudernden Konsumenten zu überzeugen, griff Premier Thaksin Shinawatra wieder einmal zu einer PR-Maßnahme: In einer Bangkoker Filiale der Fastfoodkette KFC ließ er sich eine opulente Hähnchenmahlzeit servieren. Kritiker werfen Thaksin vor, den Ausbruch der Seuche verschleiert zu haben, weil er um die Wirtschaft seines Landes besorgt gewesen sei. Ihn kümmert das offenbar wenig, am kommenden Wochenende will er gekochtes Huhn servieren.