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Archiv-Artikel

„Hier Peace-Camp, stop war“

Protest ungebrochen: 40.000 demonstrieren am Wochenende gegen Irakkrieg. Friedenscamp Unter den Linden telefoniert die US-Botschaft lahm. Bush vor das Tribunal nach Den Haag, wird gefordert

von JULIANE GRINGER

Statt der berühmten Fackel reckt die Frau eine Bombe hoch in die Luft. Ihre Hände sind mit blutroter Farbe bemalt. Die Füße ebenso. „Das ist meine Version der Miss Liberty“, sagt Michael, der die Freiheitsstatue ganz vorn im Protestzug gegen den Irakkrieg trägt. Doch das Marschieren fällt dem 32-Jährigen nicht schwer. Die Figur ist aus Pappmaschee und wiegt ganze 5 Kilogramm bei einer Höhe von 2,15 Metern. Und sie zieht natürlich die Aufmerksamkeit auf sich.

Wie an den Tagen zuvor haben sich auch am Samstag – nach einem Aufruf von Attac Berlin und einem Bündnis „Achse des Friedens“ – rund 9.000 Menschen unter dem Motto „Stoppt den Krieg“ auf dem Alexanderplatz versammelt. Mit den Slogans wie „Internationale Völkermordzentrale USA“ oder „Bush muss raus aus dem Weißen Haus“ setzt sich der Demonstrationszug in Richtung Brandenburger Tor in Bewegung. Auf dem Boulevard Unter den Linden steigt die Protestlaune der Teilnehmer erheblich – auch weil sich immer mehr Menschen in die Kundgebung, die am Ende auf über 40.000 Kriegsgegner angewachsen ist, einreihen.

Eine Station des Protestzugs ist auch diesmal die von der Polizei fast vollständig abgeriegelte US-Botschaft. Seit Donnerstag kampiert in Sichtweite der Amerikaner, auf dem Linden-Mittelstreifen, ein „Zusammenschluss freier Bürger“ in einem Peace-Camp, dessen Zahl auf fast 70 Personen angewachsen ist. Man sitzt am Boden und musiziert, verteilt Flugblätter und diskutiert mit Passanten.

Greenpeace, PDSler, Friedensbewegte und Berliner Antifas bilden den Kern des Camps. „Der Kanzler soll den Luftraum schließen“, fordert Jörg. „Wir wollen Frieden, Liebe und Licht“, sagt Camp-Sprecherin Janana. Am Tag des Kriegsbeginns sei sie mit einem Freund weinend auf die Straße gelaufen und habe spontan den Entschluss zum friedlichen Protest gefasst.

Friedlichen Protest übt auch Camp-Mitglied Dirk. Von der Telefonzelle direkt neben ihrer Kochstelle aus ruft er „alle fünf bis zehn Minuten“ bei der Botschaft an und spricht ein „Here is Peace-Camp. Stop the war!“ in den Hörer. „Vielleicht können wir ihr Telefonnetz lahm legen“, hofft Dirk. Es herrscht lebhafte, fast euphorische Stimmung in der bunten Truppe. Bürger bringen Essen und Kohle ins Camp, mit der Polizei hätten sie „schon öfter einen Tee getrunken, die sind echt voll lieb. Aber wir sind ja auch peacig hier“, sagt Janana.

Die Kerzen am stählernen Peace-Zeichen an der Botschaft brennen auch am Samstag. Greenpeace demonstriert damit für den Frieden. Stündlich schlagen Mitglieder eine große Glocke. „Viele Passanten, die mit uns sprechen, finden es gut, dass wir unser Spektrum erweitern“, sagt Mitglied Elfriede Hendrichs. „Dabei besinnen wir uns eher auf unsere Wurzeln, gegründet wurde Greenpeace als Friedensbewegung in Kanada.“

Nach zirka zehn Minuten am Peace-Camp zieht die Karawane weiter. Weiter hinten im Demonstrationszug schiebt ein 52-jähriger Ingenieur aus Pankow sein Rad vor sich her. Er hat sich ein Plakat mit dem Slogan „Bush und Blair nach Den Haag“ auf die Jacke geklebt. „Diese Politiker gehören für mich vor ein internationales Gericht“, sagt er. „Wenn ich sehe, wie viele Unschuldige Menschen im Bombenkrieg in Bagdad sterben, kriege ich Wut.“ Deshalb laufe er hier auch mit. „Man kann nicht viel machen, aber es ist besser, als vor dem Fernseher zu sitzen.“