: Den Schwung von Gorleben nutzen
Wie es nach den erfolgreichen Aktionen um Gorleben weitergeht mit den Anti-Atomkraft-Protesten
GÖTTINGEN taz ■ Rund um Gorleben demonstrierten 16.000 Menschen und damit so viele wie seit Jahrzehnten nicht mehr gegen Atomkraft. Wie der Schwung aus dem Wendland in die Zukunft gerettet werden kann, blieb im Überschwang der Freude allerdings offen. Denn der nächste Castor-Transport kommt erst in zwei Jahren – nach der Bundestagswahl, von deren Ergebnis die zukünftige Energiepolitik maßgeblich abhängt.
Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg kündigte stattdessen fürs Wahljahr Demonstrationen an Standorten von AKWs an, die vor der Wahl eigentlich stillgelegt werden sollten. Beschlüsse dafür gibt es aber noch nicht. Zudem erscheint fraglich, ob sich die Menschen in großer Zahl einfach nach Biblis, Brunsbüttel oder Neckarwestheim umleiten lassen.
Dass der neue Schwung von Gorleben nicht per Dekret auf andere Standorte übertragen werden kann, weiß auch Peter Dickel. Der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad glaubt aber, dass die Proteste vom Wochenende auch den Widerstand gegen das in Salzgitter geplante Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll weiter beflügeln werden. „Im Februar planen wir eine große Menschenkette von Braunschweig zum Schacht Konrad und zur Asse“, berichtet Dickel.
Anders als die Asse oder Gorleben ist Schacht Konrad außerhalb der betroffenen Region bislang kaum umstritten. „Eine Sicherheitsdebatte und bundesweite Beachtung bekommen wir noch“, prophezeit Dickel – spätestens dann, wenn der aus der Asse herausgeholte Atommüll in die Grube Konrad umgebettet werden solle.
„Es muss gelingen, dass die Antiatomkraftbewegung ein eigenständiger Akteur wird“, sagt Jochen Stay von der Initiative X-tausendmal quer. Die Energiedebatte dürfe nicht Politikern und Lobbyisten überlassen werden. Im Internet haben „ausgestrahlt“ und das Online-Netzwerk „campact“ zu einer Argumentesammlung gegen Atomkraft aufgerufen. Die besten Slogans sollen bei der Wintertagung des Deutschen Atomforums öffentlich zur Schau gestellt werden. „Wir wollen rund um das Tagungshotel in Berlin Plakatwände mieten und darauf unsere Argumente sichtbar machen“, so Jochen Stay. REIMAR PAUL