: „Beim Kopftuch entscheidet der Einzelfall“
SPD-Fraktionschef Edgar Moron setzt im Kopftuchstreit auf externe Gutachter – und will das Schulgesetz ändern lassen
taz: Herr Moron, das Kopftuch-Verbot im öffentlichen Dienst wird auch in ihrer Fraktion kontrovers diskutiert. Zur Klärung haben Sie bei dem Berliner Verwaltungswissenschaftler Ulrich Battis ein Gutachten in Auftrag gegeben. Mit welchem Ergebnis?
Moron: Herr Battis wird der Fraktion die Ergebnisse in der kommenden Woche erläutern. Wir haben verabredet, vorher keine Einzelheiten zu nennen.
Bereits durchgesickert ist aber, das Herr Battis für ein Verbot des Kopftuchs plädiert...
...Professor Battis schlägt eine Änderung des Schulgesetzes vor, nach der Lehrerinnen und Lehrern im Dienst die Verwendung von Kleidungsstücken, Zeichen, Symbolen verboten werden darf, die im Widerspruch zu Grundwerten der Verfassung stehen und geeignet sind, den Schulfrieden zu stören. Entscheiden müsste darüber aber in jedem Einzelfall die übergeordnete Schulaufsicht.
Und dieser Kompromiss wäre in der Fraktion mehrheitsfähig?
Natürlich betonen einige, die gesetzlichen Möglichkeiten reichten aus. Wichtig ist: Es geht uns nicht um religiöse Symbole, sei es das Kreuz, der Davidstern oder eben das Kopftuch als Zeichen des religiösen Islam. Die Frage ist doch: Signalisiert ein Mitarbeiter, eine Mitarbeiterin des öffentlichen Dienstes durch das Tragen eines solchen politisch-ideologisch interpretierbaren Symbols, dass die von der Verfassung garantierten Grundwerte ignoriert werden?
Sie persönlich glauben, das Kopftuch sei ein solches politisch-ideologisches Symbol eines militanten Islam?
Das muss im Einzelfall entschieden werden. Einzellösungen in Konfliktfällen: Das ist doch die Stärke des Vorschlags von Battis.
Der wann umgesetzt wird?
Entschieden werden könnte kurz vor oder kurz nach Ostern. Im Gegensatz zu dem verfassungswidrigen Vorschlag, den die CDU-Fraktion vorgelegt hat, setzen wir gerade auf eine breite Diskussion, auf den Sachverstand der Koalitionsfraktionen von SPD und Grünen.
Warum ist der CDU-Entwurf verfassungswidrig?
Man kann natürlich alle religiösen Symbole in der Schule verbieten. Das ist aber nicht unser Ziel. Schwieriger ist dagegen, das Kopftuch pauschal zu verbieten, Kreuz und Davidstern dagegen zuzulassen. Doch genau das sieht der eng an die Entwürfe Bayerns und Baden-Württembergs angelehnte Antrag der CDU vor. Eine solche Regelung aber verstieße nach Auskunft des Juristen Battis gegen das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes. Auch unsere Landesverfassung lässt eine solche Ungleichbehandlung nach seinem Ergebnis nicht zu.
Warum wird dennoch parteiintern gestritten? Selbst das SPD-geführte Kabinett wirkt gepalten, und Ministerpräsident Peer Steinbrück hat Ihren Vorstoß für ein Verbot zurückgewiesen...
...Peer Steinbrück will keinen laizistischen Staat, da sind wir einer Meinung. Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage mit seinem Kopftuchurteil an die Landtage zurückverwiesen, und wir diskutieren nun kritisch-kontrovers. Gerade in dieser sensiblen Frage wollten wir keine monolithische Meinung nach außen tragen.
INTERVIEW: ANDREAS WYPUTTA