: Drogenpolitik: Jeder Schuss ein Treffer?
Weniger Tote, mehr erfasste Konsumenten: CDU-Gesundheitsexperte Wersich zieht positive Bilanz im Kampf gegen illegale Suchtmittel. Opposition befürchtet Verelendung der Abhängigen und klagt über fehlende Konzepte für Crack-Problem
Von MARCO CARINI
Aus Sicht der CDU ist Hamburg clean: „Wir haben weniger Erstkonsumenten harter Drogen und weniger Drogentote“. präsentiert Dietrich Wersich, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, nicht ohne Stolz seine Bilanz der Drogenpolitik des Hamburger Senats. Bessere Zusammenarbeit der an der Drogenpolitik beteiligten Behörden, die Zerschlagung offener Drogenszenen verbunden mit einem konsequenten Vorgehen gegen Dealer sowie verlängerte Öffnungszeiten von Hilfseinrichtungen – so lässt sich laut Wersich die suchtpolitische Erfolgsstory des von Beust-Senats schreiben.
Dazu komme die konzeptionelle Orientierung auf ausschließlich ausstiegsorientierte Hilfsangebote und deren räumliche Konzentrierung auf das ehemalige Wüstenrot-Haus in St. Georg. Wersichs Fazit: „Wir haben endlich wieder eine Drogenpolitik aus einem Guss.“
Tatsächlich weisen die von dem CDU-Gesundheitsexperten gestern vorgelegten Daten einen Rückgang der Drogentoten von 101 (2001) auf 64 (2003) auf – die niedrigste Ziffer seit 15 Jahren. Die Zahl der polizeilich erfassten Abhängigen sank im selben Zeitraum von 715 auf 552.
Erfolgszahlen, die Martin Schäfer, drogenpolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, gerne für den vor zwei Jahren abgewählten rot-grünen Senat reklamieren würde: „Wenn ich ein breites Drogenhilfesystem aufbaue, dann zeigen sich die positiven Auswirkungen erst mit Verzögerung. Dass seit Jahren die Zahl der Drogentoten kontinuierlich abnimmt, ist Ergebnis genau der Politik, die jetzt vom amtierenden Senat konsequent zerschlagen wird.“ Auffällig sei zudem, so Schäfer, dass die Zahl der erfassten Drogenkonsumenten „2003 einen neuen Höchststand erreicht“ habe.
Zudem sei das veränderte Suchtverhalten dafür verantwortlich, das sich weniger Abhängige einen goldenen Schuss gesetzt hätten. Schäfer: „Von Crack stirbt man eben nicht.“ Der SPD-Abgeordnete rechnet damit, dass erst „in den kommenden Jahren die Hamburger die fatalen Auswirkungen dieser Dogenpolitik zu spüren bekommen: Durch verstärkte Verelendung und weitere Szenebildung.“
Das befürchtet auch Martin Hofmann, Mitarbeiter der Harburger Drogenhilfeeinrichtung „Abrigado“. „Dass es immer weniger Einrichtungen gibt, wo der Drogenkonsum gedultet wird, führt zu zwei fatalen Konsequenzen: Statt ‚safer use‘ hat der Tausch benutzter Spritzen wieder Konjunktur, und wir kommen an die Konsumenten nicht mehr heran, um mit ihnen über Therapieangebote zu sprechen.“ Der Regenbogen-Bürgerschaftskandidat beklagt vor allem, dass der Senat auf die sprunghafte Zunahme des Crack-Konsums nicht mit der Einrichtung gesonderter „Rauchräume“ reagiert habe. So sei es „zu einer fatalen Vermischung der Szenen gekommen“. Durch die Zerschlagung der offenen Drogenszenen am Hauptbahnhof und im Schanzenviertel habe sich zudem, so Hofmann, „das Dealen auf die S-Bahnen verlagert“.
Eine Tendenz, die auch die GAL-Abgeordnete Dorothee Freudenberg ausmacht: „In den Bahnen wird heute lustig gedealt.“ Die Vertreibung der offenen Drogenszenen habe auch dazu geführt, „das nun in Harburg und auf der Veddel zunehmend mit Drogen gehandelt“ werde. Besonders die Schließung des Fixstern im Schanzenviertel hält sie für „einen schlimmen Fehler“. Freudenberg: „Nun wechseln die Drogen wieder in Hauseingängen und auf Spielplätzen ihren Besitzer.“