: Die Kita als Ort der Integration
Migrantenkinder, die in die Kita gehen, haben es später leichter mit der deutschen Sprache. Doch nicht alle Neuberliner Eltern nehmen das Angebot wahr. Entscheidend sind kultureller Hintergrund und Einstellung zur Bildung
In zahlreichen Grundschulklassen Berlins drücken Kinder türkischer, kurdischer und arabischer Herkunft die Schulbank, ohne so richtig zu verstehen, was der Erwachsene da vorne an der Tafel eigentlich sagt. Ihre Kinderjahre haben sie zu Hause verbracht, ohne zuvor eine Kita besucht zu haben. Und ohne richtig Deutsch zu lernen. In zahlreichen Migrantenfamilien aus dem türkischen und islamischen Kulturkreis werden die Kinder in ihrer Muttersprache von den Müttern betreut. Sprachstandstests an Berliner Schulen zeigten bereits in der Vergangenheit, dass Deutschlücken später nur noch schwer zu schließen sind.
Anders sieht es bei Zuwanderern aus Osteuropa und Fernost aus. Sie schicken ihre Kinder mit großer Selbstverständlichkeit in die Kitas, sofern sie einen Platz bekommen. „Ich kenne keine Familie russischer Migranten oder Spätaussiedler, deren Kinder nicht zur Kita gehen“, sagt Soja Tolburg vom russischen Verein „Dialog“. „Bildung genießt unter russischen Zuwanderern einen hohen Stellenwert. Die Eltern wollen, dass ihre Kinder rasch Deutsch lernen und sich hier integrieren.“ Deutsche Kitas seien bei russischen Familien sehr geschätzt, so die Sozialberaterin. „In Russland sind die Kitas oft nicht geheizt, und es gibt schlechtes Essen.“
Ähnlich ist die Situation unter polnischen Zuwanderern, so Ella Stasik, Redakteurin der Polnischredaktion von Radio Multikulti. „Polnische Eltern schicken ihre Kinder mit der größten Selbstverständlichkeit in die Kita.“ Allerdings bevorzugen polnische Eltern katholische Kitas und sind enttäuscht, wenn es in den wenigen konfesionellen Kitas Berlins keinen Platz für ihre Sprösslinge gibt. Einen wenn auch nicht religiösen, so doch kulturellen Aspekt beachten auch die MigrantInnen aus asiatischen Ländern. „Bildung genießt in konfuzianistisch geprägten Familien einen sehr hohen Stellenwert“,sagt Thuy Nonnemann vom Verein Vietnamhaus. Eltern zum Beispiel aus China oder Vietnam genügen daher die Lernanforderungen in den Kitas nicht immer. In einigen asiatischen Ländern fängt das Pauken für die Kleinen schon früh an, der Wissenserwerb erfolgt in den Anfangsjahren schneller und konzentrierter. „Asiatische Eltern sehen die Kita als eine Bildungseinrichtung an und schicken die Kinder hin, auch wenn sie arbeitslos sind und es finanziell schwer fällt.“ Folge dieser kitafreundlichen Einstellung ist, dass die jungen asiatischstämmigen BerlinerInnen in der Kita „sozialisiert“ und damit von der Kultur ihrer Väter und Mütter entfremdet werden. Zwar können solche Kinder perfekt Deutsch, aber kaum Vietnamesisch oder Chinesisch, und sie können mit den eigenen Eltern, die selbst nur begrenzt Deutsch gelernt haben, in späteren Jahren nur bedingt kommunizieren. Das gibt, so Tamara Hentschel vom Lichtenberger Verein Reistrommel, „Probleme in der Pubertät“. Geredet wird dann irgendwann nur noch übers Essen. „Wir haben immer wieder Jugendliche hier, die mit den Anforderungen ihrer Eltern nicht klarkommen und von zu Hause weglaufen“, berichtet Hentschel. Identitätsprobleme würden zumeist dann entstehen, wenn asiatisch aussehende Jugendliche nicht in ihrer Herkunftskultur verwurzelt sind.
In Marzahn-Hellersdorf, wo Migrantenfamilien das Berliner Kita-Angebot intensiv nutzen, sind Zuwandererkinder „gut integriert“, meint Marzahns Jugendstadträtin Manuela Schmidt (PDS). Wer die Kita besucht habe, „der spricht bei der Einschulung auch Deutsch“. Das treffe sowohl auf Gegenden zu, in denen nur sehr wenige Migrantenfamilien leben, als auch dort, wo ihr Anteil deutlich über 10 Prozent liege. Die Stadträtin hat beobachtet, dass insbesondere vietnamesische und russlanddeutsche Mädchen sogar zu den motiviertesten Schülerinnen gehören. Insgesamt liegt in Marzahn-Hellersdorf der Ausländeranteil bei 3 Prozent, die Mehrheit der Zugewanderten stellen allerdings Russlanddeutsche mit deutschem Pass. „Probleme gibt es nur bei den Spätaussiedlern, die erst kurz vor Ende der Schulzeit nach Deutschland kommen“, sagt Schmidt. MARINA MAI