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Archiv-Artikel

Die Polizei will nicht zu Fuß gehen

Der Fahrzeugbestand der Polizei soll bis Jahresende weiter reduziert werden. Beamte fürchten, mit öffentlichem Nahverkehr zur Tatortbesichtigung fahren zu müssen. Wasserwerfer für 1. Mai bleiben aber ausreichend vorhanden

Müssen die BerlinerInnen demnächst „unnötige und weitere Wege“ in Kauf nehmen, um bei der Polizei eine Anzeige aufzugeben oder eine Zeugenaussage zu machen? Dies jedenfalls befürchten Beamte quer durch alle sechs Polizeidirektionen.

Denn aufgrund der Sparbeschlüsse des Senats wird der Fahrzeugpark der Polizei auch in diesem Jahr weiter verkleinert. Bis Ende 2004 soll der Gesamtbestand auf 2.313 Fahrzeuge reduziert werden. Zu Beginn der Sparrunde im März 2002 waren es noch 540 mehr.

Diese „Zielgröße“ sei „unveränderbar“, heißt es in einem internen Papier der Polizeibehörde, das der taz vorliegt. Darin wurden die Direktionen zudem aufgefordert, bis zum vergangenen Wochenende entsprechende Sparvorschläge einzureichen. Doch über die zu erwartenden Auswirkungen will man sich im Polizeipräsidium offiziell noch nicht äußern, da die „Diskussion noch nicht abgeschlossen“ sei.

Aus Kreisen der betroffenen Beamten wird es deutlicher: Die zum Jahresende noch vorhandenen Fahrzeuge reichten für das „polizeiliche Alltagsgeschäft“ vermutlich gerade noch aus. Reserven gebe es dann jedoch nicht mehr. Da aber der Funkstreifendienst Priorität besitze, werde die eingeleitete Reduzierung hier zunächst wohl keinen direkten Einfluss haben.

Schwierigkeiten sehen sie hingegen für die Arbeit des Basisdienstes auf den Polizeiabschnitten. Wenn immer weniger Ersatzfahrzeuge verfügbar seien, bedeute das, dass beim Ausfall einer Funkstreife nahezu zwangsläufig auf dem Abschnitt ein Fahrzeug abgezogen müsste. Konkret bedeute dies dann, dass etwa für eine Tatortbesichtigung, die Wahrnehmung von Gerichtsterminen, Kurierfahrten oder zum vorgeschriebenen Trainingsschießen kein Wagen zur Verfügung stünde und es somit zu erheblichen Zeitverzögerungen käme. Und dass eben auch etwa die Protokollierung einer Zeugenaussage demnächst nicht mehr vor Ort stattfinden könnte, sondern eine Vorladung auf die Dienststelle nötig wird.

Dies werde insbesondere bei jenen Abschnitten der Fall sein, die bereits im so genannten „Berliner Modell“ arbeiteten. Dort werden kleinere Delikte von der Schutzpolizei selbst bearbeitet. Die Kripo-Kollegen sollen sich auf die Aufklärung schwerer Straftaten konzentrieren können. Als Erste begann im Februar 1998 die Polizeidirektion 5 (Kreuzberg, Neukölln) mit diesem Modell. Seither wurde es auch auf verschiedene andere Direktionen ausgeweitet. Wenn die Sachbearbeiter jedoch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu einem Tatort fahren müssten, weil für sie kein Einsatzfahrzeug zur Verfügung stehe, werde das Modell „ad absurdum“ geführt, sagt ein Beamter.

Mit längeren Anfahrtszeiten rechnen die Beamten auch bei plötzlichen Ampelausfällen, bei schnell notwendig werdenden Objektschutz- oder Absperrmaßnahmen. „Die öffentlichen Verkehrsmittel werden das Fortbewegungsmittel der Polizei“, sagt der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Eberhard Schönberg, „die neuen BMW- Einsatzfahrzeuge dürfen „nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Fuhrpark weiter drastisch zusammengestrichen wird“.

Nur die Bereitschaftspolizei ist laut GdP von den Sparmaßnahmen nicht betroffen, da deren Ausstattung über das Bundesinnenministerium finanziert wird. Wasserwerfer, Gruppen- und Sonderfahrzeuge stehen also auch am 1. Mai ausreichend zur Verfügung. OTTO DIEDERICHS