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Archiv-Artikel

Unternehmen Yvonne

Ferngesteuertes Soap-Sternchen oder ernst zu nehmende Popsängerin? Yvonne Catterfeld könnte es zur Catterfeld bringen. Vorausgesetzt allerdings, das Management gibt ihr den nötigen Freiraum

VON RALF NIEMCZYK

In einem Monat geht’s los. Das „Unternehmen Yvonne“ geht auf große Tour. Mit richtiger Band und richtigen Instrumenten. Vier Aufwärmkonzerte in der Provinz – Hamm, Oldenburg, Weimar, Siegen –, und am 12. März kommt dann in Köln die RTL-Belegschaft vorbei. Schließlich gehört Yvonne seit Frühjahr 2002 – als Julia Blum aus der endlosen Erfolgssoap „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ – zur Senderfamilie. Vorab ist bereits die Single „Du hast mein Herz gebrochen“ erschienen, die in der letzten Woche mit Hilfe der ganzen Vertriebsmacht der Bertelsmann Music Group von null auf eins in den deutschen Charts geschossen ist. Yvonne Catterfeld steht vor ihrem entscheidenden Jahr.

Ferngesteuertes Soap-Sternchen oder ernst zu nehmende Popsängerin? Retortenprodukt oder eigenständige Persönlichkeit? Die 1979 geborene Thüringerin singt seit ihrem 15. Lebensjahr. Sie besuchte bis zum Abitur die Musikschule, hatte ambitionierte Privatlehrer für Klavier, Gitarre und absolvierte die Leipziger Musikhochschule mit „summa cum laude“. Hauptfach: Gesang. Die Sterne stehen also nicht schlecht, dass aus dem bislang etwas blutarmen Wesen eine richtige Chansonette werden kann. Also weg von dieser indifferenten Mischung aus Nicole („Ein bisschen Frieden“) und „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“-Kollegin Jeanette Biedermann („Rock My Life“), die gegenwärtig konsequent in Richtung Wuchtbrumme aus der Disko positioniert wird.

Bei Jeanette werden die Röcke kürzer. Yvonne wiederum sitzt im Innencover von „Du hast mein Herz gebrochen“ in hellblauen Stiefeln und einem zartrosa Margeritenkleid an einer schwarzen Tür. Nachdenklich natürlich. Nach dem Minikleid- und Antik-Lederjacken-Look ihres ersten Albums „Meine Welt“ wird klar, wohin die Reise gehen wird: Yvonne als der Spatz von Erfurt oder so. Jade-Perle des Ostens. Nicht gerade Alexandra („Mein Freund, der Baum, ist tot“), aber zur Katja Epstein („Wunder gibt es immer wieder“) der Nullerjahre sollte es schon reichen. In einigen Jahren wird man sie „die Catterfeld“ nennen. Wie „die Knef“.

Streng musikalisch betrachtet, hat Yvonnes Studioteam Jeo und Lalo Titenkov bei Kenny Gamble und Leon Huff gekupfert, die in den Siebzigern mit ihrem Label Philadelphia International die amerikanische Soulmusik gleichzeitig glatt bügelten und für zeitlose Dancefloor-Eleganz sorgten. Besonders deutlich wird das, wenn die Textpassage „Und ich seh, dass für mich dein Herz jetzt nicht mehr schlägt, mein Schatz. Wo bist du, wo bist du nur hin …“ in eine schwelgerische Orchesterwand einschwenkt. So etwas gelingt deutschen Studios mittlerweile ganz gut. R ’n’ B halt; gediegener Midtempo-Sound wie bei „Du bist mein Stern“ von Ayman oder „Das muss Liebe sein“ von Glashaus. Yvonne Catterfeld bekommt die perfekte Bridge verpasst. Ostdeutsches Liebesleid und neo-norddeutscher Philly-Sound. Auch die Hitmaschine von Marianne Rosenberg („Er gehört zur mir“) hatte sich seinerzeit der Soundfabriken der US-Ostküste bedient.

Als Schachzug der besonderen Art darf sicherlich auch gewertet werden, dass die ewige Geschichte der verlassenen Frau vom Mönchengladbacher Rapper Eco Fresh gedichtet wurde. Normalerweise ein spaßiger Heißsporn mit türkischem Background. Eine tolle Vorstellung, dass uns diese Türken nun auch noch unsere Schlagertexte wegnehmen!

Zur Catterfelds großer Tournee erscheint natürlich auch das zweite, richtungweisende Album mit dem Titel „Farben meiner Welt“. Quasi die konzeptionelle Fortführung des Erstlings „Meine Welt“. Es lässt sich leider noch nicht absehen, ob der große Wurf der Single bei allen Songs durchzuhalten ist. Nicht mal das Tracklisting wurde bislang bekannt. Bei der neuen Pro7-Chartshow kündigte Yvonne eine ganze Armee von Produzenten an. Janet Jackson und J.Lo machen das schließlich auch so.

Entscheidend für das Erschaffen einer ganz Großen dürfte sein, wie viel Freiraum das penibel arbeitende Abschirmungssystem von Management und Plattenfirma ihrem Supertalent einräumt. Bereits zum ersten Album hatte sich die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung die Mühe gemacht, das Geheimnis der Catterfeld aufzudröseln. Das Ergebnis einer langen Autofahrt: Die allmächtige Managerin übertextete jede zweite Aussage ihres Schützlings. Wie schrieb einst ein weiser Dichter: Lass doch der Jugend ihren Lauf! Das gilt insbesondere für eine so pflegeleichte junge Frau wie Yvonne Catterfeld, die Ende Januar beim „Deutschen Medienpreis 2003“ im schwarzen Abendkleid mit Spaghettiträgern „An Angel Has No Memories“ für Kofi Annan sang. Für die Komposition sorgte kein Geringerer als Eurythmics-Mann Dave Stewart. Es läuft also wie geschmiert für Yvonne Catterfeld. Und schließlich hat die Not leidende Bertelsmann Music Group eine internationale Karriere für sie vorgesehen. Inwieweit es dazu kommt, dürfte vor allem davon abhängen, ob sie auch mal böse und besoffen sein darf. Britney hat es vorgemacht. Sie ist dabei zwar über das Ziel hinausgeschossen, aber immer noch besser, als doofen Typen nachzuheulen, die mit der anderen ins Bett gestiegen sind. Lass es mal krachen, Yvonne! Punk rules.