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Archiv-Artikel

Merkel will gedämpften Stoiber

Des CSU-Chefs „Sanierungsplan“ geht „nicht von den Betroffenen aus“, sondern vom Sparen in der Sozialpolitik. Abwanderung nach Osteuropa drohe. Die CDU-Chefin dagegen wird von Ostdeutschland bedroht und möchte Stoibers Kahlschlag abmildern

von HEIDE OESTREICH

Edmund Stoiber hat den Vorteil, in der Opposition zu sein, als CSU-Vorsitzender sogar quasi in der Opposition der Opposition. Denn die CSU betätigt sich neuerdings wieder als „Motor“ der Union. Das heißt, dass man vorprescht und unpopuläre Maßnahmen verkündet, die allen wehtun außer den Bayern. Um Wählerstimmen außerhalb Bayerns muss man sich nicht mehr kümmern – los geht’s.

Für seinen „Sanierungsplan für Deutschland“, den Stoiber gestern in Berlin offiziell vorstellte, hat er also tief in die Kiste unbeliebter Sozialkürzungen gegriffen. Vierzig Punkte listet er auf, darunter Klassiker wie „keine Steuererhöhungen in den nächsten fünf Jahren“ oder die „betrieblichen Bündnisse für Arbeit“, die Tarife ohne Beteiligung der Gewerkschaften aushandeln sollen. Der Kündigungsschutz soll bei Neueinstellungen nur noch für Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern gelten, als Konzession an die CDU will Stoiber daneben auch deren „Optionsmodell“ einführen, wonach man zwischen Abfindung und Kündigungsschutz wählen kann. Schon zuvor bekannt gegeben hatte er, dass die CSU die Sozialhilfe für Erwerbsfähige auf 75 Prozent ihrer heutigen Höhe herunterfahren wolle. Die Bezugsdauer für Arbeitslosengeld soll wieder regulär bei einem Jahr liegen; nur wer lange eingezahlt hat, soll anderthalb Jahre Arbeitslosengeld bekommen.

Damit wären sowohl Personen, die Kinder erziehen, als auch Ostler, die erst seit 1990 einzahlen konnten, benachteiligt. Das aber stört Stoiber ebenso wenig wie die Tatsache, dass seine „aktivierende“ Sozialhilfe, neben der man dazuverdienen darf, im Osten wohl ins Leere laufen dürfte. Was er denn diesen Betroffenen sage, wurde Stoiber gestern gefragt. Die klare Antwort: „Wir gehen nicht von den Betroffenen aus, sondern davon, dass wir Kosten senken müssen.“ Würden die Lohnnebenkosten nicht gesenkt, verlagerten die Betriebe Produktionsstätten nach Osteuropa.

Dieses Mantra sollte ihn gestern gegen alle Vorwürfe, unsozial zu agieren, schützen. Das Ziel ist also nicht unbedingt soziale Ausgewogenheit, sondern wird in Ziffern ausgedrückt: Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung soll durch die Kürzungen um 1,5 Prozentpunkte sinken, die Rentenbeiträge sollen durch Verlängerung der Lebensarbeitszeit ebenfalls um 1,5 Prozentpunkte sinken, und die Krankenversicherungsbeiträge sollen von derzeit 14,4 Prozent auf 13 gedrückt werden, indem etwa der Zahnersatz von den PatientInnen finanziert wird. Um die öffentlichen Haushalte zu entlasten, soll der Rahmentarifvertrag für den öffentlichen Dienst gekündigt werden. Bayern, so kündigte Stoiber an, erwäge ohnehin, daraus auszusteigen.

Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel übt sich derweil im Schönreden von Differenzen zu „geringfügigen Abweichungen“, wie sie gestern nach der CDU-Präsidiumssitzung formulierte. Bei den Zielen, um wie viele Prozentpunkte die Sozialbeiträge fallen müssten, seien die Schwesterparteien sich einig. Die geringfügigen Differenzen belaufen sich etwa darauf, dass die Mecklenburgerin Merkel ihren MitbürgerInnen keine generelle Senkung der Sozialhilfe zumuten will. Gemindert werden dürfe nur, wenn Arbeit abgelehnt werde. Die Bezugsdauer für Arbeitslosengeld solle mit einer „größeren Staffelung“ verkürzt werden, so Merkel, sparen würde die CDU lieber, indem sie zu Beginn der Arbeitslosigkeit eine längere Karenzzeit ohne Zahlung einrichtet. Konkretere Absprachen zwischen den Unionsparteien terminierte Stoiber auf Anfang Mai. Merkel wollte sie nach den detaillierten Vorschlägen der Regierung treffen.