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Archiv-Artikel

Zwei Fernseher, zwei Welten, derselbe Krieg

Die Front auf den Bildschirmen: Präziser, sauberer Krieg bei CNN – brutale irakische Siegesbeweise bei al-Dschasira

AMMAN taz ■ Zwei Fernseher stehen nebeneinander. Einer zeigt das laufende Programm des US-Nachrichtensenders CNN, der andere ist auf den arabischen Sender al-Dschasira eingestellt: Man bekommt schnell den Eindruck, dass beide von verschiedenen Ereignissen berichten. Zwei Geräte, zwei Welten.

Die CNN-Berichterstattung basiert vor allem auf den eingebetteten Journalisten, also jenen, die sich mit und kontrolliert von den amerikanischen oder britischen Truppen im Irak bewegen. Sie liefern meist relativ nichtssagende Frontberichte und filmen ihre Einheit beim Beschuss eines entfernt eingegrabenen anonymen Gegners. Es gibt keinen einzigen eingebetteten arabischen Journalisten. Die arbeiten meist auf der anderen Seite. Auf dieser Seite gibt es jedoch keine Journalisten, die sich mit den irakischen Truppen eingegraben haben. Die irakische Armee erliegt hier noch einem traditionellen „Medien gefährden die nationale Sicherheit“-Ansatz.

„Ausgeschaltete“ Feinde

Die meisten arabischen Journalisten arbeiten in den Städten Bagdad, Basra und Mosul. Und das staatlich kontrollierte irakische Fernsehen wird mobil herangezogen, wenn es für die irakische Seite Bedeutendes zu vermelden gibt, aus dem sie glaubt propagandistischen Nutzen ziehen zu können. Die Bilder des Staatsfernsehens werden dann direkt über Fernsehstationen wie al-Dschasira in die gesamte arabische Welt weitergeleitet, so wie am Sonntag die Aufnahmen von den gefangenen US-Soldaten.

Das Ergebnis auf beiden Seiten der Medienfront kann unterschiedlicher nicht sein. CNN zeigt mit „Livekameras“ in Bagdad die saubere Seite des Krieges: Explosionsbilder, die an Spezialeffekte aus Hollywood erinnern, oder aus dem Südirak US-Truppen als fahrende oder auf Distanz kämpfende Einheiten. Dazu erklären pensionierte US-Generäle den vermeintlichen Verlauf des Krieges. Feindliche Positionen werden nicht gesprengt und deren Soldaten getötet, sie werden „ausgeschaltet“.

Dagegen zeigt al-Dschasira die hässliche Seite des Krieges. Jene Bilder, bei denen der Fernsehzuschauer manchmal wegsehen muss, weil sich der Magen umdreht. Etwa die Bilder von einem Krankenhaus in Basra, als dutzende von Toten mit verbrannten Genitalien oder zerfetzten Köpfen zu sehen sind. Ein verkohltes Baby wird aufgedeckt. Sie liegen auf dem Korridor des Krankenhauses und einer der Pfleger versucht, mit einem Lappen ein wenig das Blut zwischen den entstellten Leichen aufzuwischen. Die arabischen Zuschauer schauen weg und wieder hin und fühlen sich machtlos.

Zurechtgerückte Tote

Ebenso brutal wie die irakischen Leichen im Krankenhaus zeigt al-Dschasira eine Gruppe erschossener US-Soldaten im Inneren eines Hauses. Blutüberströmt liegen sie im Raum verteilt. Fliegen umkreisen sie, wie sie es zuvor mit den Leichen irakischer Zivilisten im Krankenhaus von Basra getan haben. Ein irakischer Krankenpfleger, der wohl zuvor auch diese Bilder gesehen hatte, lächelt, als er einen der toten GIs mit Gummihandschuhen anpackt und für die Kamera zurechtrückt. Dann werden in einem anderen Raum fünf amerikanische Kriegsgefangene vorgeführt. Sie wirken verschreckt und eingeschüchtert. Vor allem die einzige Frau unter ihnen, deren Augen voller Angst von einer Seite zur anderen kreisen, während sie mit gebrochener Stimme sagt, welcher Einheit sie angehört und wo sie herkommt.

Beide Seiten, die westlichen und die arabischen Medien, werden letztendlich instrumentalisiert. Die einen versuchen die Schrecken des Krieges im Interesse der US-Kriegspartei durch bunte Computeranimationen zu einem PC-Game herunterzuspielen. Daneben wird gezeigt, wer der Gute ist, etwa wenn US-Militärärzte bei der Operation eines irakischen Kriegsgefangenen gezeigt werden. Al-Dschasira dagegen zeigt Bilder ohne Moral, die beweisen sollen, dass die unbesiegbare US-Armee so unbesiegbar nicht ist. Auch sie haben ihre Wirkung nicht verfehlt, überall in der ansonsten ohnmächtig zusehenden arabischen Welt kommt Begeisterung auf.

„Es war widerlich“, kommentierte dagegen ein US-General später die in al-Dschasira ausgestrahlten Bilder im weit entfernten US-Hauptquartier im Golfstaat Katar. Eigentlich wollte er „saubere“ Military Briefings abhalten, in denen die Schrecken des Krieges nicht vorkommen, so wie 1991, als man den Journalisten Luftaufnahmen von bombardierten Zielen präsentierte, wo es hoch oben nur ein wenig rauchte. Damals gab es keine arabischen Fernsehstationen, die ernsthaft mit den westlichen Sendern konkurrieren konnten. Der letzte Golfkrieg war eine rein westliche Medienshow. Dieser Krieg hat medial eine neue Qualität: Mit den nun via Satellit übertragenden Stationen wie al-Dschasira ist es mit der Version vom präzisen, sauberen Krieg vorbei. Das ist widerlich und abstoßend, aber eben auch nicht anders als der Krieg selbst.

KARIM EL-GAWHARY