: Deutschland hat jetzt auch ein FBI
Der Aufschrei von Juristen und Ärzten hat die Regierung nicht gekümmert: Das Bundeskriminalamt soll künftig auch geheimdienstähnliche Mittel einsetzen dürfen. Innenminister Schäuble (CDU) hält sein Gesetz für absolut verfassungskonform
AUS BERLIN VEIT MEDICK
Trotz massiver Kritik wird das Bundeskriminalamt künftig wohl wie eine Superpolizeibehörde mit geheimdienstlichen Befugnissen arbeiten dürfen. Der Bundestag verabschiedete am Mittwochabend mit den Stimmen der großen Koalition das entsprechende BKA-Gesetz.
Zuvor war es zu einer hitzigen Debatte gekommen, in deren Verlauf Demonstranten auf der Tribüne des Bundestags Plakate ausrollten und die Opposition das Gesetz heftig kritisierte. Die FDP sprach von einem „weiteren Schritt in einen ausufernden Präventionsstaat“, die Grünen warnten, die Polizei werde ihr eigener Geheimdienst.
Stimmt kurz vor Weihnachten auch der Bundesrat zu, wird ab Januar 2009 somit das wohl umstrittenste Sicherheitsgesetz der letzten Jahre in Kraft treten. Bislang war das BKA nur zur Verfolgung bereits begangener Straftaten zuständig. Durch das Gesetz mit seinen insgesamt 24 neuen Paragrafen erhält es erstmals präventive Befugnisse. Weit im Vorfeld einer konkreten Tat soll die Bundespolizei damit terroristische Gefahren abwehren. Kritiker befürchten, die grundgesetzlich vorgeschriebene Trennung der Arbeit von Polizeibehörden und Geheimdiensten werde dadurch verwischt.
Besonders die in Paragraf 20k festgehaltene Möglichkeit zur heimlichen Durchsuchung von Computerfestplatten, die Onlinedurchsuchung, wird von Juristen und Bürgerrechtlern angeprangert. Da das Ausspähen in Eilfällen auch ohne Richterbeschluss möglich sein soll und bei der Auswertung der Dateien statt Richtern zwei BKA-Beamte definieren sollen, was privat und was verfahrensrelevant ist, sehen sie die Gefahr einer systematischen Verletzung des privaten Kernbereichs. Weitere Ermittlungsmethoden wie Rasterfahndung, Wohnraumüberwachung und Lauschangriff ermöglichen dem BKA eine Rundumüberwachung von Terrorverdächtigen.
Der Exbundesinnenminister und Anwalt Gerhart Baum (FDP) sowie die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Renate Künast, haben bereits angekündigt, gegen das Gesetz beim Verfassungsgericht in Karlsruhe zu klagen. Innenminister Schäuble und andere Vertreter der Koalitionsparteien wiederum argumentierten am Mittwoch, dass das BKA in Zukunft lediglich Befugnisse erhalte, die sämtliche Landeskriminalämter längst besitzen. Trotz der Befürchtungen, die Bundespolizei könne aufgrund seiner besseren Ausstattung die Möglichkeiten häufiger und aggressiver nutzen, hält Schäuble sein Vorhaben „zu hundert Prozent“ für grundgesetzkonform, wie er in einem Radiointerview betonte.
Neben Bürgerrechtlern opponieren allerdings auch Ärzte und Journalisten gegen die neue Superpolizeibehörde. Denn nach dem neuen Gesetz müssen sie bei großer Gefahr Details über ihre Patienten und Informanten preisgeben. Abgeordnete, Seelsorger und Strafverteidiger hingegen werden weiterhin das volle Zeugnisverweigerungsrecht genießen. Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe verurteilte das „Zwei-Klassen-System“ von Berufsgeheimnisträgern. Das BKA-Gesetz sei ein „Angriff auf die Bürgerrechte, die ärztliche Schweigepflicht und das Patient-Arzt-Verhältnis“, so Hoppe.
Erst in der vergangenen Woche hatten sich die beiden Regierungsparteien auf einen Gesetzestext geeinigt. An der grundsätzlichen Ausrichtung wurde nichts mehr geändert. Lediglich einzelne Paragrafen wurden konkretisiert. So soll künftig bei der Sichtung von heimlich ausgespähten Dateien der Datenschutzbeauftragte des Bundeskriminalamts teilnehmen. Zudem soll der Nutzen des Gesetzes nach fünf Jahren wissenschaftlich untersucht werden.