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Archiv-Artikel

DIE UNRUHE IM BUNDESKRIMINALAMT IST GEFÄHRLICH FÜR SCHILY Innenminister auf Rachefeldzug

Das war abzusehen: Gerade einmal einen Monat nachdem die Pläne zum Umzug des Bundeskriminalamts (BKA) nach Berlin bekannt wurden, fordert die überhitzte Debatte darüber nun ihr erstes Opfer. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) will den Präsidenten des BKA, Ulrich Kersten, von seinen Aufgaben entbinden. Mit diesem Schritt versucht der Minister, sich selbst aus der Schusslinie zu bringen und die oberste deutsche Polizeibehörde wieder ruhig und handlungsfähig zu machen.

Doch dies wird ihm nicht so einfach gelingen. Zwar ist der bei den eigenen Leuten unbeliebte Kersten der Hauptverantwortliche für die Revolte seiner Beamten, indem er die Pläne seines Ministers bis zum letzten Moment unter der Decke hielt, statt sie im eigenen Haus frühzeitig bekannt zu geben und zu diskutieren.

Doch ganz so unschuldig, wie er sich gerne darstellt, ist auch Otto Schily nicht. Weit reichende Planungen wie den Umzug von mehreren tausend Beamten und die Schließung ganzer Standorte entwickelt man nicht über Nacht. Auch hat Kersten – der als politischer Beamter jederzeit entlassen werden kann – wohl kaum an seinem Minister vorbei gehandelt. Eher ist davon auszugehen, dass der Überraschungscoup von Anfang Januar eng mit Schily abgesprochen war. Dies wird auch bei der Polizei so gesehen. Mit dem Bauernopfer Ulrich Kersten werden sich die aufgebrachten Beamten und Beamtinnen also nicht beruhigen lassen. Sie fühlen sich hintergangen, von einem „Vertrauensbruch“ ist die Rede.

Und der eitle Bundesinnenminister, der bedingungslose Loyalität fordert, sinnt bereits auf einen Rachefeldzug. Wer seine Pläne nicht abnickt, wird versetzt. Neben den bisherigen BKA-Vizepräsidenten soll es „Schritt für Schritt“ auch mehrere Abteilungsleiter treffen, ist zu hören. Damit ist weitere Unruhe programmiert. Wie in einem Hühnerstall, in den der Fuchs eingebrochen ist, flattern in Wiesbaden und Meckenheim derzeit alle durcheinander. Kehrt Otto Schily also nicht bald zu Besonnenheit zurück, könnte es auch für ihn den Beginn des politischen Absturzes bedeuten. OTTO DIEDERICHS