: Ordinarienherrlichkeit sieht alt aus
betr.: „Wo der Hammer hängt“ von Peter Fuchs, taz (Kultur) vom 18. 3. 03
Jene „geballte Intelligenz“, die an unseren Hochschulen – so vermutet der Autor – zirkuliert, schimmert auch – so hofft der Autor – durch die Zeilen seines Artikels. Nur schade, dass Ballung in strikter Gegenbewegung zu jeglicher Entfaltung steht.
Klar: Jede ökonomistische Verkürzung von Wissenschaft muss als das bekämpft werden, was sie ist: als eine Verkürzung, eine lebensbedrohliche. Doch der Rückzug auf die privilegierte, leistungsnachweisfreie Innerlichkeit deutschen Hochschullehr-Daseins ist die möglicherweise bequemste, aber ungeeignetste Verteidigungsbastion: Die Ordinarienherrlichkeit, die hier unter Berufung auf Intelligenz sowie Freiheit von Forschung und Lehre verteidigt wird, sieht ziemlich alt aus. Ein bisschen mehr Alternative und Gehirnschmalz dürften schon sein.
Auch bei Kleinigkeiten: Das genderkorrekte Pendant zu Dienstherr ist eben nicht Dienstdame, sondern – wenn schon, denn schon – Dienstherrin. Hat nämlich was mit Herrschaft zu tun – und nicht mit Damenprogramm oder Anstands-Wauwaus.
THOMAS SEIFERT, Münster
Regen Sie sich ab, Herr Professor! Ihre Privilegien sind grundgesetzlich geschützt im sakrosankten Bereich der Grundrechte, die nicht mal mit Zweitdrittelmehrheit angetastet werden dürfen – und schon gar nicht von noch so starken Dekan/inn/en, Rektor/inn/en, Präsident/inn/en oder gar Kanzler/inne/n an Hochschulen oder anderswo: „Kunst und Wissenschaft, Lehre und Forschung sind frei.“ (Artikel 5 Abs. 3 GG) Welche Berufsgruppe in Deutschland ist in ihren wichtigsten „Leistungs“bereichen ähnlich frei (und zugleich unkündbar) wie die Ihre?!
Betrachten Sie die von Ihnen geschmähten Versuche der politischen Akteure des Wissenschaftssystems doch einfach als Versuche, durch das Vorspiegeln von Reformbereitschaft die eigentlichen Privilegien wohlbehütet im Verborgenen zu halten. Man hat doch den Eindruck, dass unsere Gesellschaft sich angesichts des deutschen Bildungsdesasters die Privilegien des Wissenschaftssystems überhaupt nur deshalb gefallen lässt, weil die Hochschulen sich seit vielen Jahrzehnten permanent reformieren. Es war bisher aber vor allem eins: Rotation um den verrotteten Kern. Zum Arrangement der Reformsinfonie gehört aber nicht nur das von Ihnen geschmähte Rundschreiben der HRK, sondern natürlich auch Ihr Beitrag: Der empörte Aufschrei aus der reinen Wissenschaft, die ihre Wahrheitsproduktion von Politik und Wirtschaft bedrängt sieht.
Als ausgewiesener Kenner der Luhmann’schen Systemtheorie wissen Sie doch um die Hermetik der gesellschaftlichen Subsysteme: Die Kommunikation des Wissenschaftssystems wird nicht ernsthaft vom Code des Politischen und des Wirtschaftlichen gefährdet. (Eine Bestätigung seiner Theorie war ja der Wissenschaftler Luhmann selbst: Als man ihn in Bielefeld von den Ressourcen seines Fachbereichs abgeschnitten hatte, ist er kurzerhand nach Italien gegangen und hat dort sein Grundlagenwerk „Soziale Systeme“ fertig geschrieben.)
Politik muss versuchen, den Widerspruch zwischen der tendenziell unendlichen Wahrheits„produktion“ (Wissenschaft) und den endlichen Ressourcen der Gesellschaft (Wirtschaft) mit Blick in die Zukunft zu „managen“. Ich fände es produktiver, wenn engagierte Leute wie Sie Ihre Ressourcen nicht für das – aus der Perspektive der Wissenschaft zweifellos gerechtfertigte, aber schon tausendmal elaborierte – Lamento über die Brutalität der Komplexitätsreduktion dieses „Managements“ einsetzten, sondern dazu, den aktuellen Reformprozess so zu gestalten, dass diejenigen, die in Deutschland dem Wissenschaftssystem bisher ziemlich wurscht sind, endlich ins Zentrum gerückt werden: die Studierenden. Es könnte sich lohnen, denn erfahrene Kenner des Milieus behaupten, diesmal sei es mit der Hochschulreform auch in Deutschland Ernst. DR. EFFE THEISSEN, Wuppertal
Grundsätzlich ist es ja nicht verkehrt, bei der Bildung auch „den Markt“, „die Wirtschaft“ im Auge zu behalten. Das beweist nicht zuletzt auch die gesamte Pisa-Diskussion, die die Missstände im deutschen Schulsystem aufgedeckt hat. Gerade von Befürwortern einer umfassenden Umorentierung des Schulwesens weg von früher Selektion und hin zu individuellem und vernetztem Lernen sollte nicht vergessen werden, dass diese Studie immer die Volkswirtschaft im Auge hatte und hat. Somit zielt die Reformierung der deutschen Schulen auch auf Markt und Wirtschaft. Auf einem ganz anderen Blatt steht, was das besprochene Positionspapier verhandelt.
Ausgeblendet werden hier von den Verfassern die Grundlagen, die Basis, auf die auch „die Wirtschaft“, „der Markt“ angewiesen sind, nämlich die Grundlagen von Kultur und Zivilisation. Offensichtlich ist die Spezialisierung von Experten inzwischen so weit fortgeschritten, dass es an Idiotie grenzt. Es ist nicht nur so, dass der Blick über den Tellerrand nicht mehr gelingt, nein, der Tellerrand wird gar nicht mehr wahrgenommen. Was fehlt, ist ein studium generale, in dem Interdisziplinarität vermittelt und gelebt wird. Umfassendes Wissen, wie beispielsweise vom allseits verehrten Geheimrat aus Weimar verkörpert, ist heute nicht mehr möglich. Möglich kann und muss aber sein, sich auch anderen Gedankengängen und Sichtweisen zu öffnen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass Anstöße zu neuen Erkenntnisssen ausbleiben. Das gilt für alle Disziplinen, für die geisteswissenschaftlichen, die technischen und wirtschaftswissenschaftlichen.
INGA BÜHLER, Heide