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Archiv-Artikel

Bahn zahlt Bonus bei Verspätung

Fahrgäste erhalten Anspruch auf Entschädigung, wenn sie mehr als 60 Minuten zu spät ankommen. 20 Prozent vom Fahrkartenwert gibt es zurück – als Gutschein

BERLIN taz ■ Das Bittstellerdasein der Bahnfahrer bei Verspätungen soll ein Ende haben. Fernreisende, die mit mehr als 60 Minuten Verspätung an ihrem Zielbahnhof ankommen, bekommen einen Entschädigungsgutschein in Höhe von 20 Prozent des Fahrkartenwertes. Die Mindestentschädigung beträgt 5 Euro. Bargeld wird an die Fahrgäste nicht ausgezahlt. Dies sind die Einzelheiten einer „Kundencharta Fernverkehr“, die Bahnchef Hartmut Mehdorn gestern zusammen mit Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne) und Verkehrminister Manfred Stolpe (SPD) in Berlin vorstellte. Bisher gewährte die Deutsche Bahn Entschädigungen für Verspätungen nur nach internen Kulanzregeln.

Mehdorn versprach, die neuen Kundenrechte bis zum 1. Oktober 2004 in die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bahn aufzunehmen. Jeder, der eine Fahrkarte kauft, könnte eine Entschädigung im Streitfall dann auch vor Gericht einklagen. Anders als Verbraucherverbände in der Vergangenheit gefordert hatten, wird es gesetzliche Entschädigungsregeln nicht geben. Wer mit Fernbussen oder etwa dem privaten Bahnbetreiber Connex zu spät kommt, kann sich somit nicht auf die Kundencharta berufen. Im Nahverkehr gelten die neuen Regeln ohnehin nicht.

„Die Fahrgastrechte müssten verbindlich in allen Bussen und Bahnen gelten“, kritisierte der Verkehrsclub Deutschland (VCD). Dafür sei eine gesetzliche Regelung unerlässlich. „Ein Gesetz hätten wir bis zum 1. Oktober nicht hingekriegt“, rechtfertigte Künast die Selbstverpflichtung der Bahn.

Aus Sicht des VCD ist die Kundencharta auch in den Einzelheiten unbefriedigend: „Einige Fahrgäste sind in Zukunft sogar schlechter gestellt als bei den bisherigen Regeln.“ Bisher bekam ein ICE-Reisender auf Kulanzbasis bei einer 90-minütigen Verspätung 25 Euro Entschädigung. Bei kurzen Strecken müsste er sich nach der neuen 20-Prozent-Regel unter Umständen mit weniger zufrieden geben. Bei Verspätungen durch höhere Gewalt – etwa Selbstmordversuche oder Unwetter – gehen Bahnkunden weiterhin leer aus. Dafür haftet die Bahn nicht. Nach eigenen Angaben der Bahn sind rund 40 Prozent der Verspätungen auf höhere Gewalt zurückzuführen. MICHAEL SITTIG