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Archiv-Artikel

Die neue Kita-Lüge

SPD bleibt dabei: 2004 gibt es keine neuen Kita-Gutscheine für Berufstätige. Nach Kita-Akten jetzt auch Pressemitteilungen verschwunden

von KAIJA KUTTER

Versinken die 40 Millionen Euro Aufstockung für 2004 komplett im Kita-Loch? Diese „Tatsachenfeststellung“ hielt SPD-Politiker Thomas Böwer auch gestern am Tag nach der entscheidenden Haushaltsausschusssitzung aufrecht. Böwer: „Es gibt eine neue Kita-Lüge. Diesmal von Soltau.“

Gegen Ende der Sitzung habe der Ausschussvorsitzende Werner Dobritz (SPD) die „Jackpotfrage“ gestellt, berichtet Böwer. Ob denn geplant sei, die „Entgeltvereinbarung“ mit den Kita-Trägern noch in 2004 zu kündigen? Dies wurde von Bildungsbehörden-Haushaltschef Thomas Schuster mit „nein“ beantwortet. Böwer: „Allein das kostet 25 Millionen Euro.“ Denn nach offiziellen Senatsangaben entstand bereits in der Zeit von August bis Ende Dezember in 2003 ein Fehlbetrag von 12,1 Millionen Euro durch neue Pflegesätze. Hochgerechnet auf zwölf Monate sind dies 25 Millionen Euro.

Somit stehen die Zahlen in Zweifel, die Bildungssenator Reinhard Soltau (FDP) zuvor genannt hatte. Dieser hatte vorgerechnet, dass von den 40 Millionen Euro immer noch 21,5 Millionen Euro übrig blieben, um berufstätige Eltern mit Kita-Gutscheinen zu versorgen (s. rechts). Allerdings konnte er nicht darlegen, wofür die übrigen 18,5 Millionen Euro ausgegeben werden.

„Die Zahl von 18 Millionen ist nur gewürfelt“, erklärt nun Böwer und insistiert darauf, dass die insgesamt elf Einzelposten, die der Senat in zwei Drucksachen zur Erklärung des ersten Millionen-Lochs in 2003 aufführte, mit mindestens 36 Millionen Euro 2004 wieder zu Buche schlagen. So ergab sich beispielsweise aus der falschen Einschätzung der Kinderzahl ein Fehlbetrag von 6 Millionen Euro, der auch dieses Jahr anfällt, weil die Kinder noch da sind.

Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) appellierte an die fragenden Abgeordneten, den Bericht der übergreifenden Lenkungsgruppe abzuwarten, was den GAL-Politiker Willfried Maier zu dem Ausruf provozierte: „Den halten Sie doch mit Absicht bis zur Wahl zurück.“

In der Tat wundert es, dass nicht wenigstens die „Zwischenergebnisse“ der Lenkungsgruppe veröffentlicht werden, die laut Soltau „Basis“ für die 40-Millionen-Euro-Forderung sind. Laut Pressesprecher Alexander Luckow werden diese noch bis zum 11. Februar veröffentlicht.

Unterdessen scheinen neben Kita-Akten auch Kita-Pressemitteilungen zu verschwinden. Peiner hatte im Ausschuss zugegeben, dass im Jahr 2002 im Kita-Etat 4 Millionen Euro gesperrt waren und damit ein Junglehrerprogramm zwischenfinanziert wurde. Die Summe fehlte später und wurde erst im Oktober 2003 mit dem ersten Kita-Nachtragshaushalt über 19 Millionen Euro beglichen. Peiner beteuerte, hier sei „nichts verheimlicht worden“. Allerdings heißt es in einer von Luckow verfassten Pressemitteilung vom 10. November 2003, Vorwürfe, nach denen Mittel des Kita-Etats für ein Junglehrerprogramm genutzt wurden, weise der Senator (der damals noch Rudolf Lange hieß) „ausdrücklich zurück“. Diese Pressemitteilung war gestern in den Online-Archiven von Bildungsbehörde und Senatspressestelle nicht zu finden, was aber, so Luckow auf taz-Nachfrage, „keine inhaltlichen Gründe hat“.