Der illustrierte Feldzug

Die US-amerikanische Armeezeitung „Stars and Stripes“ informiert und unterhält die Soldaten am Golf und weltweit. Obwohl sie aus staatlichen Kassen finanziert wird, betont sie ihre Unabhängigkeit

von CARLA PALM

Als die F-14-Bomber von ihren Angriffsflügen auf Bagdad zurückkommen und die Mechaniker die verbliebenen Raketen unter Deck verstauen, treffen sich die Matrosen zur Karaoke-Nacht. Die Musik reicht von Frank Sinatra bis Aerosmith. Ein paar hundert Marinesoldaten und Offiziere quetschen sich in der Kantine zusammen, es gibt amerikanische Pizza und Icecream. Für ein paar Stunden scheint der Krieg vergessen – stattdessen versuchen sich die Unteroffiziere Shaun Brooks und Darius Johnson an einem Duett von Billy Joels „Longest Time“ – was wie Satire klingt, das meldete die amerikanische Soldatenzeitung Stars and Stripes als Nachrichtenaufmacher auf der Titelseite.

Seit Januar berichtet das Blatt aus der Golfregion. Stars and Stripes hat Nachrichtenbüros in Kuwait, der Türkei und Bahrain eingerichtet und außerdem eine Reporterin auf dem Flugzeugträger „U.S.S. Kitty Hawk“ untergebracht. Zwei weitere marschieren mit der Dritten Infanterie Richtung Bagdad. Neben einer glatt gebürsteten Kriegsberichterstattung liefern die ausgebildeten Journalisten auch Geschichten von den Nebenschauplätzen des Krieges – wie etwa die Karaoke-Feier Samstagnacht, während Bomben auf Bagdad fielen. „Leo“, der riesige Wüstenleguan, den die Soldaten irgendwo zwischen den Zeltstangen in Camp Udairi gefangen hatten, hielt sich drei Tage lang in den Schlagzeilen.

„So dicht an die Truppen ran wie möglich“, lautet die Order von „Editorial Director“ David Mazzarella, der seine Zeitung nach der Friedensphase wieder auf Kriegstauglichkeit trimmen soll. Heraus kommt dabei ein merkwürdig menschelnder Spagat zwischen Information und Seelsorge, der natürlich nur die eine, nämlich amerikanische Seite des Krieges zeigt.

Zur Stärkung der Moral veröffentlicht Stars and Stripes jeden Tag aufmunternde Grüße und Leserbriefe von den Daheimgebliebenen. Wie die Nachricht von „Mom Whittle“ aus Ohio: „Ich bin sehr stolz auf jeden Einzelnen von euch. Wir beten für euch. Gott segne Amerika.“ Hopie Ragan schreibt ihrem Matt, der irgendwo in der Wüste campiert: „Hi Baby, ich kann es gar nicht abwarten, dich zu heiraten. Du bist die Liebe meines Lebens.“ Da macht doch das Abwehrfeuer der irakischen Truppen oder der drohende Häuserkampf in Bagdad gleich doppelt Spaß.

Stars and Stripes beschäftigt in der Zentrale in Washington D.C. rund 20 Redakteure und greift weltweit auf ein festes Korrespondentennetz in Japan, Korea, Italien, Deutschland, Spanien, Bosnien, Mazedonien und Großbritannien zurück. Die europäische Ausgabe (Pacific and European Edition) wird in Griesheim bei Darmstadt hergestellt. Von dort fliegen Militärmaschinen seit Anfang März mehrere tausend Exemplare täglich nach Kuwait. Seit die Offensive „Shock and Awe“ läuft, produzieren die Reporter vor Ort zusätzlich eine achtseitige Sonderausgabe. Dank moderner Satellitentechnik können die Beiträge zu den Truppenstützpunkten übertragen und dort ausgedruckt werden.

Während viele andere kommerzielle Medien in den Vereinigten Staaten mit Einbußen durch den Krieg und den damit verbundenen Werbeausfällen rechnen, profitierte Stars and Stripes bisher immer von den militärischen Konflikten Amerikas. Als die Operation „Desert Shield“ im Golfkrieg 1991 anlief, verdoppelte sich die Nachfrage innerhalb weniger Tage. Auch dieses Mal rechnet die PR-Zentrale in Washington, die sich um alle Pressefragen kümmert, mit einem Auflagen-Boom. Die europäisch-pazifische Ausgabe, zuletzt auf 60.000 Exemplare gerutscht, könnte sich wieder an die 100.000 heranschrauben. Die zusätzlichen Druck- und Transportkosten liegen voraussichtlich bei mehreren Millionen US-Dollar, schätzt Pressesprecherin Roxanne Cooper. Finanziert wird Stars and Stripes (Verkaufspreis: 50 Cent) zu zwei Dritteln aus Anzeigen- und Vertriebserlösen. Ein Drittel kommt aus staatlichen Kassen. Die Abhängigkeit von den Subventionen und die Nähe zum Pentagon, das die Inhalte der Militärzeitung in eigener Sache autorisiert, provoziert immer wieder Kritik an ihrer Objektivität. Pressesprecherin Cooper betont zwar, dass Stars and Stripes nicht unreflektiert Regierungs-PR übernehme und der freie Informationsfluss wie bei jedem anderen kommerziellen Medium durch eine so genannte „Department of Defense Directive“ gewährleistet sei. Trotzdem dürfen die Redakteure politische Ereignisse und Regierungsentscheidungen nicht kommentieren. Genau darauf kommt es aber bei einem Propagandakrieg an.

Stattdessen übernimmt Stars and Stripes auf der Meinungsseite konservative Essays aus amerikanischen Tageszeitungen und – überlässt die Glaubwürdigkeit den anderen.