: „Das Gesetz muss ein Fortschritt sein“
Die grüne Basis wehrt sich gegen Zugeständnisse an die Union bei der Zuwanderung. Verhandlungsführer Volker Beck hält eine kleine Reform für besser als nichts – und will Höchstqualifizierte auch ohne Zustimmung des Bundesrates ins Land holen
AUS BERLIN FLORIAN OEL
Als „eines der wichtigsten Modernisierungsprojekte der rot-grünen Koalition“ hat die grüne Staatssekretärin Kerstin Müller die Neuregelung der Zuwanderung bezeichnet. Jetzt droht das Herzstück des geplanten Zuwanderungsgesetzes endgültig am Widerstand der Union zu scheitern: das Punktesystem. Danach darf eine begrenzte Anzahl von Ausländern einwandern, um den Bevölkerungsrückgang zu verringern. Die Punkte werden nach mehreren Kriterien vergeben, etwa Qualifikation, Sprachkenntnisse und Bildung.
An der Grünen-Basis regt sich jedoch Widerstand gegen mögliche Zugeständnisse an die Union. Die Kritik: Man dürfe nicht hinter den Beschluss der Bundesdelegiertenkonferenz zurückfallen. Die hatte das Punktesystem als unverzichtbar bezeichnet. Dieser Kritik stimmt der Verhandlungsführer der Grünen, Volker Beck, im Grundsatz zu. „Wir müssen uns an dem orientieren, was der Parteitag beschlossen hat: Das Gesetz muss ein Fortschritt gegenüber der bisherigen Rechtslage sein“, sagte er der taz. Allerdings würde er sich auch mit weniger zufrieden geben, wenn sonst kein Kompromiss zu finden ist. „Ein großer Wurf ist mit der Union bei der Arbeitsmigration leider nicht zu machen. Wir müssen uns zumindest für eine kleine Verbesserung einsetzen.“
Eine solche kleine Verbesserung könnte eine Einigung über den humanitären Teil des Gesetzes sein. Soll das der Basis als grüner Erfolg verkauft werden, um ein Scheitern des Punktesystems zu rechtfertigen? Beck ist anderer Meinung. „Wir haben uns in dem Punkt noch gar nicht durchgesetzt. Da bestehen weiterhin sehr große Differenzen mit der Union.“ Die humanitären Aspekte seien für ihn ein entscheidender Bereich – „wenn die Verbesserungen wegfielen, käme am Ende eine Verschlechterung der jetzigen Rechtslage heraus, denn wir haben unter anderem mit der Einrichtung von Ausreisezentren und der Verschärfung des Asylrechts bereits viele Zugeständnisse gemacht. Das wäre nicht zu rechtfertigen.“
Beck sieht außerdem Chancen, die Zuwanderung zum Teil ohne die Union zu regeln. Denkbar sei eine Regelung für Höchstqualifizierte, denen die Union keine unbefristete Aufenthaltserlaubnis gewähren will. „Damit ist Deutschland unattraktiv für Spitzenkräfte“, meint Beck. Eine Regelung auf diesem Gebiet hält er auch ohne die Zustimmung des Bundesrates für machbar.
Ein Teil der Basis will auf das Punktesystem aber nicht verzichten. „Da wäre eine Grenze erreicht“, sagte Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele der taz. „Der Parteitag hat einen klaren Beschluss gefasst. Das Gesetz ist jetzt schon ein Kompromiss und weit davon entfernt, was die Grünen eigentlich wollten.“
Kritik an der Kritik bei den Grünen kommt von der SPD. Der Verhandlungsführer der Sozialdemokraten, Dieter Wiefelspütz, fürchtet, wenn es jetzt keine Einigung gebe, werde sich jahrelang nichts bewegen. Es sei nicht sinnvoll, Verhandlungen zu blockieren, in denen sich „90 Prozent der Politik einig sind“, sagte er.