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Archiv-Artikel

Der Teufel steckt zwischen Tuch und Kreuz

Baden-Württemberg bereitet Kopftuchverbot vor – aber mit gänzlich anderer Begründung als zeitgleich die Franzosen

BERLIN taz ■ Frankreich, du hast es besser. In der Nationalversammlung in Paris hat der französische Premierminister Jean-Pierre Raffarin am Dienstag für das umfassende Kopftuchverbot an Schulen geworben: im Sinne der strikten Trennung von Staat und Religion.

„In öffentlichen Schulen ist das provozierende Tragen religiöser Symbole verboten“, heißt es schlicht und konsequent in dem Textentwurf, über den das Parlament am kommenden Dienstag abstimmen und der ab September in Kraft treten soll. Die oppositionellen Sozialisten wollen dem Text nur zustimmen, wenn das Wort „provozierend“ durch „sichtbar“ ersetzt wird.

So einfach will man es sich in Baden-Württemberg aber nicht machen: Dort wurde gestern im Landtag zum ersten Mal über ein Gesetz beraten, das Anfang April in Kraft treten soll. Die Landesregierung will muslimischen Lehrerinnen künftig verbieten, im Unterricht ein Kopftuch zu tragen. Christliche Symbole wie das Kreuz sollen dagegen zulässig bleiben.

Für diesen Spagat bedarf es einiger argumentativer Verrenkungen: Lehrkräften sollen solche „äußere Bekundungen“ untersagt werden, welche „die Neutralität des Landes oder den Schulfrieden gefährden oder stören“, vor allem aber „grundlegende Verfassungsrechte missachten“ könnten, heißt es in dem Entwurf. Die Landesregierung in Stuttgart will das Kopftuch als politisches Symbol verstanden wissen. Es sei „auch Teil der Unterdrückungsgeschichte der Frau“, sagte Kultusministerin Annette Schavan (CDU) am Mittwoch im Landtag.

Die evangelischen Kirchen im Land teilen die Ziele der Regierung. Und auch katholische Unternehmerverbände und das Kolpingwerk Deutschland haben sich gegen ein Gleichsetzen von christlichen Symbolen wie dem Kreuz und dem Kopftuch muslimischer Frauen ausgesprochen.

Während man in Baden-Württemberg schon mal vorprescht, wird offenbar auch im SPD-regierten Nordrhein-Westfalen über ein Verbot nachgedacht. Im Auftrag der SPD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag hat der Rechtswissenschaftler Ulrich Battis ein Gutachten erstellt, das die Empfehlung enthält, Lehrerinnen das Tragen eines Kopftuches im Unterricht zu untersagen.

Auch der Berliner Jurist Battis werte das muslimische Kopftuch nicht allein als ein religiöses Kleidungsstück, sagte ein Fraktionssprecher der SPD. Es müsse vor allem berücksichtigt werden, ob das Kopftuch der Gleichheit von Mann und Frau widerspreche. Das Gutachten soll am Dienstag nächster Woche in Düsseldorf vorgestellt werden.

Nicht allen ist die Debatte um das Kopftuch ganz geheuer: So hat NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) schon davor gewarnt, ein generelles Verbot des Kopftuchs könnte zu einer weiteren Säkularisierung der Gesellschaft beitragen. Denn nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. September liegt es zwar bei den Ländern, eine gesetzliche Regelung zum Kopftuch zu treffen, wenn sie dies wünschen. Dabei müsse jedoch die Gleichbehandlung der Religionen gewahrt werden.

Sehr fraglich ist also, ob Baden-Württemberg mit seinem Entwurf vor dem Bundesverfassungsgericht durchkommt. Dort dürfte er bald wieder verhandelt werden. Das jedenfalls erwartet selbst die baden-württembergische Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck (FDP), wie sie am Mittwoch im Südwestrundfunk sagte. DANIEL BAX