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Archiv-Artikel

Bushs Königsmacher

von SVEN HANSEN

Außerhalb der USA tragen seine Begleiter stets dunkle Sonnenbrillen, Funkgeräte und Maschinenpistolen im Anschlag. Wenn er irgendwo mit seinen Bodyguards auftaucht, wird sofort klar: Dieser Mann hält Macht in seinen Händen. Mit seinem dunklen Teint und der eleganten Kleidung entspricht er dem Klischée eines Mafiabosses.

Doch Zalmay Khalilzad, 51 Jahre alt, ist das, was man in Washington einen „troubleshooter“ nennt. Mit seinen Sprach- und Regionalkenntnissen sowie einem in strategischem und militärischem Denken geschulten Politikverständnis verlässt sich Washingtons in den Krisen Westasiens auf ihn. Dabei hat Khalilzad seine politische Meinung schon mehrfach geändert. Und als Sonderbotschafter, Berater und Diplomat war er auch nicht immer erfolgreich. Trotzdem hat sein Einfluss weiter zu- und nicht abgenommen. Und nachdem er schon nach dem Afghanistankrieg die Weichen stellte, hängt jetzt die Zukunft des Irak von seinen Entscheidungen ab.

Sein neuester Titel ist „Sondergesandter für Freie Iraker“. Als solcher leitete Khalilzad nicht nur die Verhandlungen über die amerikanische Nutzung türkischer Militärstützpunkte. Die Gespräche scheiterten trotz milliardenschwerer Versprechungen der USA am Parlament in Ankara, was später durch das Zugeständnis der Öffnung des türkischen Luftraums abgemildert wurde. Der Gesandte vermittelt auch seit Wochen zwischen der türkischen Regierung und der kurdischen Opposition im Nordirak, wobei er für Misstrauen und Verstimmungen sorgte.

Jetzt soll er dafür sorgen, dass im Nordirak ungestört eine zweite militärische Front gegen das Regime in Bagdad entstehen kann und nicht etwa die türkische Armee ins Kurdengebiet einmarschiert und ein Krieg im Krieg ausbricht. Bisher konnte Khalilzad das verhindern. Doch eine feste Zusage Ankaras, seine Truppen rauszuhalten, erhielt der US-Diplomat bisher nicht.

Der Job in Afghanistan

Khalilzad trifft seit Wochen Exil-Iraker, um eine Vorauswahl neuer proamerikanischer Führer zu treffen, die Schlüsselfiguren der Nachkriegsordnung werden sollen. Einen solchen Job erledigte er für Präsident Bush bereits in Afghanistan. Denn Zal, wie ihn seine Freunde nennen, ist auch Bushs Sonderbotschafter für Afghanistan, sein Heimatland.

Khalilzad hat in Afghanistan Washingtons Interessen durchgesetzt, allerdings geschah dies zum Teil auf eine Weise, die Zweifel an seinem Urteilsvermögen und Fingerspitzengefühl aufkommen ließ. So schätzte er vor der Großen Ratsversammlung, der Loja Dschirga, im Juni 2002 die Stimmung falsch ein. Bei dem Treffen sollten die Weichenstellungen der Bonner Afghanistan-Konferenz bestätigt und eine zweite Übergangsregierung installiert werden, der nach US-Vorstellungen der bisherige Regierungschef und einst im US-Exil lebende Hamid Karsai vorstehen sollte. Viele Afghanen, vor allem Paschtunen, wünschten sich jedoch den greisen Exkönig Mohammed Sahir Schah als Staatsoberhaupt, dem Karsai als Premierminister hätte zur Seite gestellt werden können. Je näher die Loja Dschirga rückte, desto größer wurde der Druck auf den ehemaligen Monarchen zu kandidieren, wozu er laut seinem Umfeld auch bereit war.

Khalilzad merkte viel zu spät, dass ihm die Sache zu entgleiten drohte. Umso undiplomatischer zog er die Notbremse. Er bedrängte den Exkönig so lange, auf eine Kandidatur zu verzichten, dass der Beginn der Loja Dschirga um 24 Stunden verschoben werden musste. Als er den Greis endlich so weit hatte, ließ er ihm nicht einmal die Gelegenheit, dies selbst zu erklären, sondern verkündete, der König werde auf einer Pressekonferenz den Verzicht erklären. Der alte Monarch ließ dann in Anwesenheit von Khalilzad und Karsai eine entsprechende Erklärung verlesen. Viele Afghanen waren empört. Khalilzads hemdsärmelige Machtpolitik setzte sich während der Loja Dschirga fort. Da zeigte er mit „kaum kaschierten Hinterzimmergesprächen“ den Delegierten, wer Regie führt, erinnert sich ein damals anwesender Diplomat.

Wie viele Sprösslinge aus der afghanischen Elite wurde auch Khalilzad Anfang der 70er-Jahre zum Studium ins Ausland geschickt. So verließ er Afghanistan, um sich beim Politikstudium an der amerikanischen Universität von Beirut Kenntnisse des Nahen Ostens anzueignen. Später wechselte er an die Universität von Chicago, wo er beim konservativen Nuklear- und Sicherheitsstrategen Albert Wohlstetter über Irans Nuklearpolitik promovierte. Zu dessen Protegés zählten auch Paul Wolfowitz, heute Vizeverteidigungsminister, und Richard Perle, einflussreicher Pentagonberater Washingtons (siehe Seite 13).

Berater unter Reagan

Als Student soll Khalilzad propalästinensischen Zirkeln angehört haben, in den USA wurde er zum Neokonservativen. In Chicago lernte Khalilzad auch seine Frau kennen, die österreichische Feministin und Bestsellerautorin Cheryl Benard. Mit ihr lebt er in Potomac in der Nähe von Washington, D. C. 1984 schrieb das Paar zusammen ein Buch über den revolutionären Iran.

Als Khalilzad 1979 gerade promoviert hatte, besetzten Sowjettruppen seine afghanische Heimat. Er blieb in den USA und unterrichtete an der Columbia-Universität in New York. 1984 wechselte er, jetzt mit US-Staatsbürgerschaft, unter Präsident Ronald Reagan ins State Departement. Dort war Paul Wolfowitz inzwischen Direktor der Planungsabteilung. Khalilzad half, afghanische Gotteskrieger gegen die Sowjets zu unterstützen, und förderte so über den pakistanischen Geheimdienst auch Ussama Bin Laden. Nach einem Bericht der Washington Post gehörte Khalilzad zu einer Gruppe, die Reagan dazu drängte, Afghanistans Mudschaheddin Stinger-Luftabwehrraketen zu liefern. Später versuchte Washington diese Waffen zurückzukaufen.

Von 1985 bis 1989 arbeitete Khalilzad im Außenministerium als Sonderberater des Staatssekretärs für den ersten Golfkrieg zwischen Irak und Iran. Damals unterstützten die USA Saddam Hussein, weil sie in den iranischen Ajatollahs ihre größten Feinde sahen. Khalilzad soll schon damals vor Saddam Hussein gewarnt haben. Unter Präsident George Bush senior wechselten Khalilzad und Wolfowitz ins Pentagon, dessen Chef Dick Cheney war, der heutige Vizepräsident. Mit der Besetzung Kuwaits wurde Saddam Hussein dann 1991 zum Feind.

Während der zwei Amtsperioden von Präsident Bill Clinton arbeitete Khalilzad bei der konservativen Denkfabrik Rand Corporation und beriet Ernergiekonzerne, darunter Unocal. Der kalifornische Konzern verhandelte damals mit den Taliban über den Bau einer Gaspipeline durch Afghanistan. Das Projekt kam nie zustande, obwohl Khalilzad 1997 im texanischen Houston führende Taliban persönlich hofierte.

Khalilzad warnte immer davor, das kriegszerstörte Afghanistan sich selbst zu überlassen. Doch die Taliban fand er ganz passabel. Sie „praktizieren nicht die antiamerikanische Art des Fundamentalismus, wie er im Iran praktiziert wird“, schrieb er 1997. Die USA „sollten bereit sein, ihnen diplomatische Anerkennung und humanitäre Hilfe anzubieten“. Es sei Zeit, auf die Taliban zuzugehen. Ein Jahr später musste Khalilzad diese Position aufgeben, als Präsident Bill Clinton nach den Anschlägen auf die Botschaften in Ostafrika Marschflugkörper auf afghanische Terroristenlager feuern ließ. Im Jahr 2000 warnte Khalilzad dann vor Anschlägen in den USA, die von Afghanistan ausgehen könnten.

Iran als nächste Aufgabe?

In der Clinton-Zeit war Khalilzad auch einer der führenden Köpfe in der 1997 gegründeten neokonservativen Initiative „Project for the New American Century“. Diese forderte schon 1998 in einem offenen Brief an Clinton eine Entmachtung Saddam Husseins mit militärischen Mitteln, wobei sich die USA nicht von der UNO behindern lassen sollten. Zu den Unterzeichnern des Briefes, dessen Vorschläge heute umgesetzt werden, zählten neben Khalilzad auch Wolfowitz, Perle und der jetzige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld.

Als George Bush junior ins Weiße Haus einzog, organisierte Khalilzad die Amtsübernahme im Pentagon und wurde dann im Nationalen Sicherheitsrat unter Condoleezza Rice Beauftragter für die Golfregion und Zentralasien. Nach den Anschlägen vom 11. September wurde er als einflussreichster Muslim in der US-Regierung Sonderbotschafter für Afghanistan. Es war die Generalprobe für seinen heutigen Job. Wenn er den erledigt und seine Begleiter mit den dunklen Sonnenbrillen keine Fehler machen, könnten womöglich im Iran, dem Land zwischen Afghanistan und Irak, bald neue Herausforderungen auf Khalilzad warten.