: Troja an der Weser
Gestern veranstaltete der Kulturrat ein erstes Diskussionsforum zur Kulturhauptstadtbewerbung
Die Chancen für Bremen stehen gut. Warum? Weil die der anderen Kulturhauptstadtbewerber schlechter stehen. Hamburg zum Beispiel „konzentiert sich auf Olympia“, so Uli Fuchs, Mitglied in der Projektgruppe Kulturhauptstadt. Für die Hamburger Olympia-Bewerbung wäre es hinderlich, würde man mit einer offensiv vorangetriebenen Kulturhauptstadtbewerbung signalisieren, dass „man auf allen Hochzeiten tanzt“. Und München? Sowieso Kultur-Metropole, langweilig wär’s, man würde Eulen nach Athen tragen.
Aber, Moment, im Kern ging und geht es um Bremen an diesem Sonntag Vormittag in der Bremer Shakespeare Company. BSC-Geschäftsführerin Renate Heitmann hatte im Namen des Kulturrats Bremen geladen zum Gespräch über Erwartungen und Verfahrensweisen. Auf dem Podium neben Uli Fuchs: Reinhard Strömer, Leiter der Kulturbehörde und Klaus Sondergeld, Geschäftsführer der Bremen Marketing GmbH (BMG). Die beiden Intendanten der Bewerbung, Martin Heller und Martin Roth, hatten abgesagt. Gekommen waren dafür VertreterInnen der Kulturinstitutionen – allesamt ausgerüstet mit Papier und Stift zum Mitschreiben. Das Interesse der von Sparzwängen gebeutelten Kulturträger am Kulturhauptstadt-Projekt ist groß. Die Angst, dabei übergangen zu werden, auch.
Im Fall Graz zum Beispiel wären von 590 beantragten Projekten 98 realisiert worden, so Fuchs. „Das hat Auseinandersetzungen und Enttäuschungen gegeben.“ Aber im Gegensatz zur letzten deutschen Kulturhauptstadt Weimar würde man laut Sondergeld „ein eigenständiges, aus Bremen heraus entwickeltes Projekt formulieren.“ Weimar hätte bei seiner Bewerbung vor allem seine Vergangenheit thematisiert, Bremen würde wie die ehemalige Kulturhauptstadt Glasgow „nach vorne gucken“. Kultur solle zu einer der Entwicklungsstrategien Bremens werden und damit „ein Bein in den investiven Teil des Haushalts bekommen.“ Noch schöner sagte es Reinhard Strömer: „Die Kulturhauptstadtbewerbung ist ein trojanisches Pferd, mit dem wir versuchen, einen neuen Begriff bremischer Kultur in der Stadtpolitik zu etablieren.“
Aber wie war das jetzt mit den Referenzprojekten oder auch mit der „Vernetzung der Kultureinrichtungen“, die, so Hanne Zech vom Neuen Museum Weserburg „eine Stärke Bremens“ sei? Weiß man nicht. Sondergeld: „Der nächste Schritt ist, ein konkurrenzfähiges Bewerbungskonzept abzugeben“, und zwar Ende März 2004. Drauf folge bis 30. Juni 2005 eine Stellungnahme des Bundesrates, die dann an die EU weitergeleitet würde. Sondergeld: „Es entscheidet zuletzt der europäische Ministerrat. Wenn wir Glück haben, finden wir unterm Weihnachtsbaum 2005 einen Brief, dass Bremen Kulturhauptstadt 2010 wird.“ Für Bremens Politiker wär’s zweifellos ein Fest. Wie groß der Jubel in der Kulturszene wäre, bleibt noch offen. Klaus Irler