: Balla-Balla nach Bumm-Bumm
Fußball und Krieg: Was der Irak, Fritz Walter und die „Shaolin Soccer“ gemeinsam haben
Wenn Sing oder seine Brüder gegen das Spielgerät treten, verwandeln sie es in einen rasenden Feuerball oder eine marschflugkörperähnliche Waffe. Ihre Elf steht im Mittelpunkt der Actionkomödie „Shaolin Soccer“, und weil sie Kung-Fu mit Fußball kombiniert, scheint sie nicht zu schlagen zu sein. Im entscheidenden Spiel trifft die familiäre Bande dann auf einen Gegner, der ihr das Wasser reichen kann, wenn auch nur dank monströser Drogen. Nach dem Match gibt das Spielfeld ein Bild der Verwüstung ab, einige Kicker haben sich ihre Klamotten zerfetzt, andere liegen wie Schlachtopfer in der Gegend herum.
Sie haben noch nie von den Sings gehört? Kann passieren. Der Film sollte im April in den deutschen Kinos anlaufen, doch nun hat der Verleih – vermutlich in dem Glauben, dass den Zuschauern derzeit nicht der Sinn nach martialischen Bildern steht – den Starttermin auf Mitte September verschoben. Es hat nicht sollen sein, wie man auf fußballerisch sagt.
Das ist schade, denn „Shaolin Soccer“ ist zwar balla-balla, hätte aber zum richtigen Zeitpunkt daran erinnern können, dass die Zweierbeziehung zwischen Fußball und Krieg seit jeher harmonisch ist. Mal bewährte sich das Kicken als Vorbereitung für den Krieg – „Durch den Sport wurdet ihr für den Krieg erzogen, darum ran an den Feind und nicht gezittert“, tönte der Norddeutsche Fußballverband vor dem Ersten Weltkrieg –, mal war es auch genau umgekehrt. So schrieb Sepp Herberger im Dezember 1942 an Fritz Walter: „Benutzen Sie den Dienst beim Militär als Trainingsangelegenheit. Ich habe als junger Soldat vor nunmehr zwanzig Jahren es auch so gemacht und bin sehr gut dabei gefahren, sowohl was die Kondition als auch die Anerkennung bei den Vorgesetzten … angeht … Besten Gruß und Heil Hitler, Josef Herberger.“
Was auch immer der Fritz während seines Soldatenlebens trainiert haben mag, das Körperteil, das ihm der Fußballgott fürs Köpfen mitgegeben hat, kann es nicht gewesen sein. Das bewies er 1959 mit dem Buch „11 rote Jäger. Nationalspieler im Kriege“, eine Sammlung launiger Anekdoten, die von einer schwer verdaulichen Blut-und-Rasen-Ideologie durchtränkt sind. „Rote Jäger“ nannte sich die Elf eines Luftwaffengeschwaders, dessen fußballbesessener Chef Hermann Graf darauf aus war, möglichst viele Nationalspieler zu rekrutieren – ganz im Sinne des „Reichstrainers“ Herberger, der verhindern wollte, dass der Kampf gegen die Untermenschen die Entwicklung des deutschen Fußballs beeinträchtigt.
Über Graf schreibt Walter, „das Prägnanteste“ an seinem „Soldatenleben“ sei „ganz ohne Zweifel eine in ihrer vollen Wahrheit nur begeisterten Sportlern verständliche Tatsache: Mag es an der Front, mag es in der Luft drunter und drüber gehen – es gibt den Fußball! Er ist Narkotikum und Belebung zugleich. Er bedeutet Kameradschaft und Ehrgeiz auf einer menschlichen, versöhnlichen Ebene.“ Und als die Russkis den Stützpunkt von Walter und Co. einmal mit „Bombenkratern“ verzierten, hat der Autor nur an das eine gedacht: „Von uns Fußballspielern hat es nur einen erwischt: Kögler … Ihm ist ein Bein weggerissen worden. Gestern hat er noch gegen den HSV gespielt, jetzt liegt er totenblass auf seiner Bahre …“
So gesehen hat Hertha BSC schon im Februar durchaus im Sinne des Fußballs gehandelt, als der Klub einem Fan Stadionverbot erteilte. Der war während eines Uefa-Cup-Spiels auf den Platz geflitzt, um seinen nackten Oberkörper zu präsentieren – mit den Botschaften „No war“ und „Stop Bush“. Wenn Fritz Walter, der circa zweitgrößte deutsche Fußballer aller Zeiten, im Luftkampf einst alles gegeben hat – obwohl, wie es in „11 rote Jäger“ heißt, in seinem Geschwader „die durchschnittliche Lebenserwartung eines Piloten zum Schluss nicht mehr als drei Monate betrug“ –, dann darf ein Fußballspiel auf deutschem Boden nicht für Anti-Kriegs-Statements missbraucht werden.
Am besten sind komplexe Themen wie der Krieg immer noch bei den Paten des Fußballs aufgehoben. Franz Beckenbauer, der circa allergrößte deutsche Fußballer aller Zeiten, teilte vorige Woche mit, er habe „die Schnauze voll vom Krieg“, und „nicht jeden Tag die Zahl der Einschüsse und Bombenabwürfe gezählt“. Schon zu Beginn des Kriegs hatte der realpolitische Scharfsinn des Ligaverbandspräsidenten Werner Hackmann in alle Welt ausgestrahlt: „Ich verstehe nicht, warum sich die Amerikaner mit solcher Aggressivität den Irak als Kriegsgegner erwählt haben. Für sie hätte sich doch ein Land wie Nordkorea eher angeboten“. Darauf lässt sich doch aufbauen – jetzt, da man an Litauen leicht gescheitert ist und unsere Fußballpolitiker sich wieder globalen Fragen widmen können. RENÉ MARTENS