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Archiv-Artikel

Den Sicherheitsbegriff aus der Frauenperspektive füllen

Der am Wochenende in Bonn gegründete „Frauensicherheitsrat“ will sich für den Schutz der unbewaffneten Frauen in Krisengebieten einsetzen

BERLIN taz ■ Wenn Menschen mit Waffen unter Stress geraten, wird es gefährlich. US-Soldaten haben nach einem Bericht der Sunday Times bei Nassirija aus Todesangst auf einer Brücke 12 Zivilisten erschossen, darunter Frauen und Kinder. Sie hätten ja Lockvögel sein und die Soldaten in eine Falle führen können. Krieg bedeutet permanente Lebensgefahr – das macht Menschen roher. Es gibt viele Studien darüber, dass in oder nach einem Krieg die Gewalt in Familien ansteigt, über Vergewaltigungen im Krieg und Gewalt in Flüchtlingslagern.

Da die Waffenträger meist Männer sind und die Unbewaffneten meist Frauen, verlangen Letztere wenigstens Schutz vor den bewaffneten Stressattacken. Das hat mittlerweile auch die UNO eingesehen und vor zweieinhalb Jahren die Resolution 1325 verabschiedet. Die besagt, dass bei bewaffneten Konflikten und beim Errichten von Nachkriegsordnungen auf die Belange der Unbewaffneten, der Frauen, eingegangen werden muss. Dass Frauengruppen beteiligt werden sollen. Passiert ist daraufhin nicht sehr viel.

Um der Resolution Nachdruck zu verleihen, hat sich in Bonn am Wochenende eine NGO gegründet, die sich als Lobby betätigen wird. Mindestens so lang, wie Deutschland im Weltsicherheitsrat sitzt, will der „Frauensicherheitsrat“ auf die Umsetzung der Resolution drängen. Der Frauensicherheitsrat besteht aus 34 NGOs und Einzelpersonen, es sind Stiftungen wie die Heinrich-Böll- und die Friedrich-Ebert-Stiftung beteiligt oder die Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung. Amnesty international ist dabei, auch die UN-Organisation Unifem. Nicht nur den akuten Schutz von Frauen wird der Rat einfordern, er will auch, so Gitti Hentschel von der Heinrich-Böll-Stiftung, die in der „Steuerungsgruppe“ des Rates sitzt, „den Sicherheitsbegriff aus der Frauenperspektive anders füllen“. – „Es kommt vor, dass ein Land offiziell als befriedet gilt, wenn die Gewalt gegen Frauen gerade erst richtig anfängt“, erläutert Hentschel. Ansprechpartner des Frauensicherheitsrates wird der Weltsicherheitsrat, in Deutschland dementsprechend in erster Linie das Verteidigungs- und das Außenministerium. Die schäumten zwar nicht über vor Begeisterung, gaben sich aber zunächst offen. Kerstin Müller, Staatssekretärin im Auswärtigen Amt, plant eine größere Veranstaltung zum Thema. Und der Verteidigungsstaatssekretär Walter Kolbow wies in einem Brief eigens darauf hin, dass sein Ministerium sich dem „Gedanken des Gender Mainstreaming verpflichtet fühlt“. Er stehe „weiterhin für einen Gedankenaustausch zur Verfügung“.

HEIDE OESTREICH